Die Anlagemärkte sind wieder aufgewühlt und extrem verunsichert. Nach einer Zeit der relativen Ruhe werden die Titelseiten unserer Zeitungen wieder von Krisenmeldungen beherrscht. Mit diesem Beitrag versuche ich, einen Überblick zu liefern und am Ende des Beitrages auch Hinweise auf mögliche Handlungsalternativen zu geben.
Erstes Quartal 2012: Die Geldflut der EZB führte zu einer Beruhigung der Märkte
Nach Abschluss mehrerer Verhandlungsrunden der führenden Politiker in Europa hatten wir in den ersten Monaten 2012 die Hoffnung, dass die Politik die Probleme der europäischen Staaten lösen könnte und die notwendigen Maßnahmen auch konsequent umgesetzt werden. Die Geldflut von der EZB, die über 1.000 Milliarden Euro in die Märkte pumpte, führte dazu, dass bei der Staatenfinanzierung Ruhe einkehrte: fällige Staatsanleihen wurden ohne vorausgehende Kommentierung über mögliche Staatspleiten pünktlich zurückgezahlt. Die zur Refinanzierung notwendigen neuen Staatsanleihen wurden zu einem großen Teil von den Banken des jeweiligen Landes übernommen, die ihrerseits von der EZB mit billigem Geld versorgt wurden. Die Märkte (= die Investoren dieser Welt) waren schnell bereit, ihre (begründeten!) Bedenken in Zusammenhang mit den extremen Unterschieden zwischen den mit einer gemeinsamen Währung zusammengeketteten Euro-Staaten zu verdrängen und wieder zur üblichen Geschäftsmäßigkeit zurückzukehren. Die Diskussionen befassten sich wieder mit Konjunkturdaten, fundamentaler Bewertung von Unternehmen und dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).
Mai 2012: Der Wahlausgang in Griechenland und Frankreich bringt die Unsicherheit zurück
Immer dann, wenn Politiker um Stimmen werben, überwiegt die Neigung, dem wahlberechtigten Volk genau das in Aussicht zu stellen, was es sich wünscht. Das Konzept von „Brot und Spiele“ hat schon im alten Rom dazu beigetragen, die herrschende Schicht (eine gewisse Zeit lang) an der Macht zu halten. Mit weitsichtiger Politik, mit vorausschauender Entscheidungen, einen Staat langfristig erfolgreich zu führen und den Wohlstand der Bürger nachhaltig zu mehren und den Frieden langfristig zu sichern, hatte dies damals nichts zu tun. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Mit dem Wahlausgang in Griechenland und in Frankreich sind die vorher verdrängten Probleme schlagartig wieder an die Oberfläche zurückgekommen.
- Griechenland liegt wirtschaftlich am Boden und kann seine Schulden auch nach dem erzwungenen Erlass von über 100 Milliarden Euro nicht zurückzahlen.
- Frankreichs Wirtschaft produziert zu teuer. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit hat sich die letzten Jahre weiter verschlechtert. Der neu gewählte Präsident, Francois Hollande, hat vor der Wahl mit seinem Wahlprogramm viel Unsicherheit bei den Investoren verursacht. Es muss sich erst noch herausstellen, welche Prioritäten nun nach der Wahl tatsächlich verfolgt werden.
- Spaniens Banken müssen viele Milliarden an leichtfertig vergebenen Immobilienkrediten abschreiben und können ohne Staatshilfe nicht überleben.
- Italiens Banken wurden downgeratet. Unabhängig von Frage, ob Italiens Wirtschaft konkurrenzfähig ist oder nicht, verunsichert diese Maßnahme die Märkte und verteuert die Refinanzierung dieser Banken, die ihrerseits eine wesentliche Stütze der Staatsfinanzierung sind.
Investoren rund um den Globus schalten auf “Risk-Off” und reduzieren die Quoten in schwankungsanfälligen Investments
Unsicherheit und Sorge um die künftige Entwicklung Europas veranlassen Investoren rund um den Globus, neue Kapitalanlagen in Bereichen, die einem grundsätzlichen Schwankungsrisiko ausgesetzt sind, zu unterlassen und bestehende Positionen zu reduzieren. Dabei spielen fundamentale Überlegungen (wie ertragreich ist ein Unternehmen / wie ist die aktuelle Bewertung im Verhältnis zum Gewinn und zum Buchwert / welche Chancen hat dieses Unternehmen in der Zukunft / etc.) keine Rolle. Im Vordergrund steht nur die Vermeidung des Risikos, kurzfristig Verluste zu erleiden. Dies führt zum Abzug von Kapital aus allen Märkten: Deutschland, Europa, die USA, die Asiatischen Börsen: Überall steht derzeit der Schalter auf „Risk-Off“: Investoren reduzieren ihre Positionen. Diese Bewegung führt zu gedrückten Kursen an allen Börsen.
Der deutsche Aktienindex wird von ausländischen Investoren bestimmt
Auch die Entwicklung des deutschen Aktienindex DAX wird hauptsächlich von den Entscheidungen ausländischer Investoren bestimmt. Die Angaben über die Handelsaktivitäten von ausländischen Marktteilnehmern schwanken zwischen 70 und 90 % des täglichen Handelsvolumens. Der Anteil ausländischer Investoren am DAX liegt bei mindestens 54 %. Berücksichtigt man den tatsächlich für den freien Handel verfügbaren Teil der Aktien (“FreeFloat”), dürfte der Anteil der ausländischen Investoren bei etwa 75 % liegen.
Spekulanten spielen mit den Märkten und erhöhen die Volatilität
Kurzfristig orientierte Spekulanten bewegen große Summen. Sie verfolgen nicht das Ziel, mit einer langfristigen Position einen nachhaltigen Wertzuwachs zu erzielen. Sie suchen nur den kurzfristigen Erfolg, und dies sowohl durch Long- als auch durch Short-Positionen. Dies erhöht die Schwankungsanfälligkeit der Börsen deutlich.
Derzeit dominiert die Angst
Die Börsenteilnehmer in allen Märkten werden derzeit von der Sorge um eine erneute Eskalation der Euro-Krise beherrscht. Dies führt zu übertrieben tiefen Kursen: Die Amplitude der Kursentwicklung liegt derzeit unterhalb des realistischen Durchschnittswerts.
Aus der übertriebenen Angst resultiert die Chance auf eine starke Erholung der Kurse
Niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, welchen Weg die europäische Politik einschlagen wird. Derzeit überwiegt die Sorge, dass mit dem Wechsel der politischen Grundrichtung in Frankreich „alles nur noch schlimmer wird“. Das Wahlgetöse und die damit verbundenen Medienkommentare wird jedoch wieder abklingen, und es wird wieder eine Besinnung auf das Notwendige und Machbare zurückkehren. Damit wird der allgemeine Schalter wieder auf „Neutral“ gestellt. Wenn die Unsicherheit abgebaut wird, besteht eine gute Chance, die nächste Stufe „Risk-On“ zu erreichen. Dies wird dazu führen, dass die Kurse in allen Märkten sich wieder positiv entwickeln – zunächst zurück auf einen langfristigen Durchschnittskurs, dann ein einigen Regionen auch wieder darüber hinaus. Diese Entwicklung kann zu einem starken Anstieg der Kurse führen.
Bond-Investoren müssen ihre Positionen abbauen, um Kursverluste zu vermeiden.
Die historisch extrem niedrigen Bond-Renditen in Deutschland und in den USA sind nicht unendlich lange so tief zu halten. Eine Zinserhöhung wird sicher kommen. Alle Investoren wissen, dass sie damit Verluste einfahren werden und suchen nach Alternativen. Da es hier um gewaltige Summen geht, kann sich aus der Flucht aus festverzinslichen Wertpapieren mit derzeit historisch niedriger Verzinsung ein gewaltiger Kapitalstrom in andere Anlagearaten entwickeln, und dies kann sehr schnell gehen.
Als Alternativen stehen nicht so viele Positionen zur Verfügung. Im wesentlichen konzentriert sich der Markt auf:
- Aktien
- Bonds in anderen Märkten, bevorzugt in den wirtschaftlich aufstrebenden asiatischen Märkten
- Gold
- Immobilien
Immobilien mit Finanzierung auf Tiefstzinsniveau sind derzeit extrem attraktiv
Bei Immobilien in Deutschland treffen derzeit zwei Entwicklungen zusammen, die in dieser Konstellation seit Beginn meiner Berufstätigkeit noch nie zusammengetroffen sind:
- Die Preise für Immobilien in Deutschland haben sich seit dem Jahr 2000 nicht wesentlich erhöht. Die Preisentwicklung der Immobilien in Deutschland ist weit hinter den anderen Immobilienmärkten zurückgeblieben.
- Die Finanzierung von Immobilien ist derzeit fast atemberaubend günstig zu erhalten.
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