Ausblick 2013 – Teil 1: Auf was zu achten ist

Geposted von Walter Feil am

Die Prognosen der Banken und Finanzanalysten zur Entwicklung der Wirtschaft und der Finanzmärkte für das Jahr 2013 klaffen weit auseinander. Je nachdem, welchem Analystenteam oder welcher Bank wir mehr Glauben schenken, resultiert daraus eine völlig unterschiedliche Allokation unserer Vermögenswerte. Glauben wir mehr den Optimisten für den Aktienmarkt, setzen wir auf DAX & Co, glauben wir mehr den Pessimisten, setzen wir vielleicht auf Gold, Rohstoffe oder Immobilien – oder wir ziehen uns in ein Schneckenhaus zurück und bunkern das Vermögen als Guthaben auf einem oder mehreren Konten. Dies allerdings würde bei Zinserträgen unterhalb der wahren Inflationsrate zu einem realen Vermögensverlust und damit zu einer schleichenden Enteignung führen.

Die Prognosen über die Höhe des Zinssatzes für langfristige deutsche Staatsanleihen zum Jahresende 2013 liegen zwischen 1,20 % und 2,50 % und damit um mehr als 100 % auseinander. Glauben wir an eine Zinssteigerung, würde dies erfordern, langfristige deutsche Staatsanleihen aus dem Portfolio zu verbannen. Glauben wir jedoch mehr an eine Fortsetzung der Zinssenkung, liegt das Heil in einem (weiterhin?) hohen Anteil langlaufender Staatsanleihen.

Niemand weiß genau Bescheid – und niemand weiß alles

Die Unsicherheit bei der Einschätzung der künftigen Entwicklung der Finanzmärkte führt uns schon zu einer ersten wichtigen Erkenntnis und Empfehlung: Niemand kann mit hinreichender Sicherheit genau vorhersagen, wie sich ein bestimmter Markt über die nächsten Monate entwickeln wird. Daraus folgt, dass extreme Positionierungen stets ein hohes Risiko mit sich bringen. Um das Gesamtrisiko so klein wie möglich zu halten, müssen die Vermögenswerte breit gestreut auf unterschiedliche Assetklassen und unterschiedliche Regionen aufgeteilt werden.

Wählen Sie etwas Abstand. Das erhöht die Übersicht.

Tatsächlich hilft uns ein Blick aus einem etwas entfernteren Standpunkt, die zahlreichen Chancen, die uns die Investmentszene rund um den Globus immer wieder bietet, besser zu erkennen. Lassen Sie uns sodann systematisch vorgehen, um zu einer eigenen Einschätzung bezüglich der Chancen und Risiken in den unterschiedlichen Assetklassen und den diversen Wirtschaftsregionen dieser Welt zu finden.

Die Welt besteht nicht nur aus Europa und den USA

Die Investmentwelt besteht nicht nur aus Europa und den USA. Andere Wirtschaftsregionen haben bereits gewaltig aufgeholt, weitere Regionen sind dabei, mit atemberaubendem Tempo den Anschluss zu suchen. Auf jeden Fall sind alle Wirtschaftsregionen dieser Welt mittlerweile so eng miteinander verflochten, dass eine Störung in einer Region – und mag so noch so weit von uns entfernt sein – sofort auch Auswirkungen bei uns zeitigt. Am Beispiel der Tsunamikatastrophe in Japan zeigt sich, dass bereits wenige Wochen nach Stilllegung der Produktion in Japan auch einige Fließbänder in Deutschland stillstanden, weil der Lieferung von wichtigen Bauteilen fehlte. Umgekehrt gilt dies ebenso: Die Schuldenkrise europäischer Staaten beeinflusst die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur in Europa, sondern auch in den anderen Wirtschaftsregionen dieser Welt.

Wie umfangreich die Liste der Regionen und Länder ist, in denen grundsätzlich Investments möglich sind, veranschaulicht die folgende Aufstellung, die lange noch nicht erschöpfend ist. Fortlaufend entdeckt die Börse weitere Wirtschaftsstandorte, die einen Beitrag zur weltweiten Wirtschaftsentwicklung leisten, als Rohstofflieferanten an Bedeutung gewinnen – oder als Brennpunkte von Problemen von sich reden machen.

Europa

  • Kernländer inklusive Deutschland
  • Nordländer
  • Südländer
  • Osteuropa-Länder
  • Balkanländer

Asien und der pazifische Raum

  • China
  • Indien
  • Korea
  • ASEAN-Länder
  • Indonesien
  • Japan
  • Australien

Nordamerika

  • USA
  • Kanada

Mittel- und Südamerika

  • Brasilien
  • Mexico

Afrika und naher Osten

  • Ägypten
  • Arabische Länder
  • Subsahara-Länder
  • Südafrika

Deutschland ist nicht der (Investment-) Nabel der Welt

Alleine ein Blick auf die Einwohnerzahl verschiedener Länder zeigt bereits, dass Deutschland im Herzen Europas zwar eine wichtige, jedoch bei weitem nicht die bedeutendste Rolle in unserer Weltwirtschaft spielt. In zahlreichen Ländern leben deutlich mehr Menschen als in Deutschland, und diese Menschen werden in den künftigen Zeiträumen einen immer größeren Anteil am Wirtschaftsgeschehen dieser Welt beanspruchen. Wir sollten uns also damit auseinandersetzen, welche Entwicklungen in diesen Regionen und Ländern zu erwarten sind und wie wir die Allokation unserer Investments rechtzeitig darauf einstellen können.

 

Wir müssen die Entwicklungen laufend beobachten und unsere Schlüsse daraus ziehen

Fast jede Wirtschaftsregion, und in dieser Wirtschaftsregion wiederum fast jedes einzelne Land, weist ganz besondere Chancen und Risiken auf. Wenn wir unser Investments nicht pauschal wie mit einer Gießkanne gleichmäßig auf alle Länder verteilen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns Schritt für Schritt immer tiefer in die Besonderheiten jeder einzelnen Region und nach und nach auch in die Besonderheiten der einzelnen Länder einzuarbeiten. Nur so entdecken wir die besonders erfolgversprechenden Chancen, und nur so entwickeln wir auch ein Gespür für die besonderen Risiken, denen unsere Investments in den einzelnen Regionen und Länder unterliegen.

Die Veröffentlichungen von zahlreichen Investmenthäusern, für die in den einzelnen Regionen direkt vor Ort zahlreiche Analysten Tag für Tag die Voraussetzungen und die Entwicklungen analysieren, helfen uns dabei, einen ersten Überblick zu erhalten. Sehr ergiebig zur Abrundung eines eigenen Bildes sind auch die Beiträge, die von den Journalisten großer Tageszeitungen der entsprechenden Region veröffentlicht werden. Diese Journalisten, die häufig bereits viele Jahre an diesen Standorten tätig sind, verfügen meist über ausgezeichnete Netzwerke und einen ausgezeichneten Zugang zu den relevanten Informationen vor Ort.

Einige der wichtigsten Parameter, deren Entwicklung wir fortlaufend im Blick halten müssen, zeigt das Schaubild.

 

 

Diese wenigen Prüfpunkte sind jedoch nur ein erster Schritt. Wenn wir tiefer in die Beurteilung einer Region oder eines Landes eintauchen wollen, liegt noch eine Menge zusätzlicher Arbeit vor uns. Natürlich können wir nicht bei jedem Land in jeden einzelnen der folgenden Prüfpunkte einsteigen. Die Liste erscheint jedoch als Checkliste nützlich, welche Kriterien die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die Entwicklung der Finanzmärkte in den einzelnen Ländern beeinflussen.

 

Grundsätzliche Voraussetzungen

  • Demographie
  • Altersstruktur der Bevölkerung
  • Wachstumsrate der Bevölkerung

Politische Voraussetzungen

  • Politische Rahmenbedingungen
  • Regierungsform: Demokratie, Monarchie, Despotenherrschaft, …
  • Wirtschaftsform: Sozialismus, Kapitalismus, Kommunismus, Mischformen
  • Reformfähigkeit
  • Neigung zu Blockaden?
  • Klare politische Konzepte?
  • Verlässlichkeit auf politische Entscheidungen?
  • Regulierungs-Dichte
  • Umweltpolitik
  • Förderpolitik
  • Steuerpolitik

Machtverhältnisse

  • Militärische Macht
  • Wirtschaftliche Macht (Fähigkeit zur Durchsetzung der eigenen wirtschaftlichen Interessen)
  • Währungsmacht (Fähigkeit, Interessen in Zusammenhang mit der eigenen Währung durchzusetzen)

Soziale Rahmenbedingungen

  • Soziale Sicherheit
  • Gesundheits-Sicherung
  • Alters-Sicherung

Persönliche Sicherheit

  • Rechts-System
  • Öffentliche Sicherheit
  • Terrorbekämpfung

Menschenrechte

  • Achtung der Menschenrechte
  • Freiheit der Religionswahl
  • Fanatismus?

Rechtliche Rahmenbedingungen

  • Rechtswesen und Verwaltung
  • Verlässlichkeit des Rechts-System
  • Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung
  • Umfang der Korruption

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

  • Arbeitsmarkt
  • Bildungsstand der Bevölkerung
  • Ausbildungsstand der Arbeitnehmer
  • Einfluss der Gewerkschaften
  • Flexibilität der Arbeitszeit (kurzfristig, Lebensarbeitszeit)
  • Forschung und Entwicklung in der Industrie
  • Strukturelle Probleme
  • Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich
  • Funktions-Sicherheit des Zahlungsverkehrs
  • Verfügbarkeit von Krediten

Natürliche Ressourcen

  • Rohstoff-Vorkommen insgesamt
  • Abbaubarer Teil der Rohstoffe
  • Exportierbare Rohstoffe

Wirtschaftliche Entwicklung

  • Geldwertstabilität
  • Entwicklung der kurzfristigen Zinsen
  • Entwicklung der langfristigen Zinsen
  • Freiheit des Kapitalverkehrs
  • Bruttoinlandsprodukt (BIP)
  • Haushaltsdefizit / Überschuss jährlich
  • Handelsbilanz und Trend

Entwicklung der Verschuldung

  • Schulden des Staates und deren Trend
  • Schulden der Unternehmen und Trend
  • Schulden der Konsumenten und Trend

Infrastruktur

  • Straßenverbindungen
  • Eisenbahnverbindungen
  • Wasserstraßen
  • Häfen
  • Flughäfen
  • Telekommunikation (Telefon und Internet)
  • Wasser- und Abwasser
  • Energieversorgung

Börsenwesen

  • Strukturelle Voraussetzungen für Börsen
  • Zuverlässigkeit der Börsensysteme

Gegenwärtige Situation an der jeweiligen Börse

  • Markttechnik
  • Verfügbarkeit von Liquidität
  • Verbrauchervertrauen
  • Einkaufsmanagervertrauen
  • Bewertung (KGV, KBV)
  • Momentum

– Thema wird fortgesetzt –

 

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.