Das Wirtschaftswachstum in China lag im ersten Halbjahr 2012 mit unter 8 % deutlich unter den gewohnten Wachstumszahlen vergangener Jahrzehnte. Bereits nach dem letzten Rückgang im Rahmen der weltweiten Krise 2008 hatte die chinesische Regierung ein Konjunkturprogramm, damals im Gegenwert von etwa 400 Mrd Euro, in Gang gesetzt. Damit war die chinesische Wirtschaft deutlich besser durch die Krise gekommen als alle westlichen Industriestaaten.
China stellt 124 Mrd Euro für Infrastruktur-Projekte bereit
Im Gegensatz zur Konjunkturprogramm von 2008/2009 sollen die am Wochenende angekündigten 1 Billion Yuan (entspricht ca. 124 Mrd Euro) schwerpunktmäßig in Infrastrukturprojekte fließen. Gemäß den Veröffentlichungen der Zentralregierung stehen 13 Autobahnen mit gesamt über 2.000 km neuen Strecken, fünf neue Häfen, vier neue Flughäfen, 25 U-Bahn-Linien und über 100 Wind- und Solaranlagenparks auf der Projektliste, die nach einer kurzen Genehmigungsphase bereits in wenigen Monaten begonnen werden sollen.
Kommentar:
Diese Ankündigung hat wohl auch etwas beruhigend-probagandistischen Charakter. Das Gesamtvolumen der ohnehin für 2012 und 2013 geplanten Projekte ist deutlich größer. Ich habe den Eindruck, dass die Zentralregierung mit dieser Veröffentlichung dokumentieren will, dass sie aktiv ist. Die Projekte werden sich auch über einen längeren Zeitraum hinziehen. Ein neues U-Bahn-System in einer Großstadt entsteht nicht innerhalb von einem Jahr, auch nicht in China (dauert allerdings auch nicht solang wie in München). Die Wirkung dieser Investitionen verteilt sich somit auf mehrere Jahre.
Neue Arbeitsplätze auch für ungelernte Arbeitnehmer
Der Rückgang der Exportaufträge von den schwächelnden Industrieländern, allen voran den Krisenländern in Europa, aber auch aus den USA, führte zur Entlassung von zahlreichen Arbeitern, die als sogenannte “Wanderarbeiter” mittlerweile von den Fabriken an der Ostküste zu ihren Familien im Landesinnern zurückgekehrt sind. Dort finden die Rückkehrer meist wieder schnellen Anschluss im Familien- und Dorf-Verbund und auch ein bescheidenes Auskommen in der kleinflächigen Landwirtschaft ihrer Heimatorte. Die erklärte Absicht der Zentralregierung ist jedoch, einen Wohlstandszuwachs für alle Bürger im Land zu erreichen. Das neue Konjunkturprogramm passt zu diesem übergeordneten Ziel, indem es Millionen von Arbeitsplätzen, einen großen Teil auch für die ungelernten “Wanderarbeiter”, bietet. Darüber hinaus wird die wirtschaftliche Entwicklung des Landes durch den Ausbau der Infrastruktur weiter und nachhaltig verbessert.
Investitionen in Infrastruktur fördert vor allem die Binnenwirtschaft
Das Nomura-Forschungsinstitut kommentierte, dass das das neue Investitionsprogramm fast in vollem Umfang der Binnenwirtschaft zugute kommt. Außerdem entsteht dadurch kaum die Gefahr einer erneuten Überhitzung, wie dies durch die Verteilung von billigem Geld leicht gechehen könnte.
Kommentar:
Wie schon mehrfach in diesem Blog ausgeführt, verfügt China sowohl über die finanziellen Reserven als auch über den politischen Willen und die kurzen Entscheidungswege, um die wirtschaftliche Entwicklung so zu steuern, dass der gewünschte Zielkorridor eingehalten wird. Die Überhitzung im Jahr 2010 wurde durch Verknappung der Kreditvergabe im Jahr 2011 wie gewünscht abgekühlt. Für 2012 ist ein Wachstum “von 7,5 %” angestrebt, wobei Chinakenner dies als die Untergrenze des angestrebten Wachstums interpretieren und eher mit etwa 8,0 % rechnen. Während die westlichen Industrieländer täglich darüber diskutierten, wo sie die weiteren Milliarden zur Rettung von überschuldeten Banken und Staaten auftreiben könnten, kann China seine Reserven (u.A. über 3 Billionen Devisenreserven als Ergebnis der Exportüberschüsse vergangener Jahre) dazu nutzen, seine Infrastuktur in weiterhin atemberaubendem Tempo weiter zu entwicklen.
In Deutschland gehen wir den umgekherten Weg: Die bereits eingeplanten Mittel für den Ausbau der Autobahn Karlsruhe-München sollen jetzt gekürzt werden. Die schleppende Ausführung der Dauerbaustelle kostet hunderttausende von Autofahrern in dieser Region jeden Tag erneut viel Nerven und nutzulos verplemperte (Stau-) Zeit.