China stabilisiert die Entwicklung seiner Wirtschaft

Geposted von Walter Feil am

Von unserem China-Experten Christian Hofmann (Senior Advisor Asia Pacific für die FIVV AG) und Andreas Grünewald (Vorstand, FIVV AG) erhielten wir die eine Zusammenfassung der jüngsten Maßnahmen der chinesischen Führung zur Stabilisieurng der wirtschaftlichen Entwicklung in China wie folgt:

Die gesteuerte Geldverknappung in 2011 führte zur gewünschten Abkühlung der Konjunktur

Aus den Daten für April war deutlich hervorgegangen, dass sich die chinesische Volkswirtschaft durch die (bewusst herbeigeführte) geldpolitische Verknappung in 2011 mehr als nur einen Schnupfen eingefangen hatte. Von der Industrieproduktion über den Außenhandel bis hin zur Aktivität am Immobilienmarkt setzte sich die Schwächephase des ersten Quartals fort und enttäuschte die Analystenschaft teils deutlich.

Jetzt werden wieder Maßnahmen zur Stabilisierung und Stützung der Wirtschaft in Gang gesetzt

Was angesichts der ernüchternden Zahlen jedoch beinahe übersehen wurde, war die Fülle an Maßnahmen, mit der die chinesische Führung ganz unmittelbar reagierte.

70 neue Flughäfen

In einem Atemzug mit der Bekanntgabe der schwachen Aprildaten verkündeten chinesische Medien zum Beispiel, dass die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) die Genehmigungsverfahren vieler Infrastrukturprojekte massiv beschleunigt habe. In den kommenden drei Jahren sollten so, unter anderem, 70 neue Flughäfen entstehen und 100 bestehende modernisiert werden.

Weitere Maßnahmen in rascher Folge beschlossen

Einen Tag später folgte die chinesische Zentralbank mit der abermaligen Herabsetzung ihrer Mindestreserveanforderungen an chinesische Geschäftsbanken um 50 Basispunkte. Im Tagesrhythmus setzten sich die positiven Nachrichten fort:

  • 16. Mai: Chinas Staatsrat beschließt ein milliardenschweres Subventionsprogramm zur Förderung energieeffizienter Haushaltsgeräte und Automobile.
  • 17. Mai: Das chinesische Eisenbahnministerium bestätigt die Reaktivierung seines ursprünglichen Investitionsplans für das laufende Jahr in Höhe von CNY 400 Mrd.
  • 18. Mai: Premier Wen Jiabao gibt „stabilem Wachstum“ öffentlich oberste Priorität.
  • 19 Mai: 30 staatseigene Unternehmen geben Investitionen in Höhe von CNY 350 Mrd. in der südwestchinesischen Metropole Chongqing bekannt.

Und so ließ sich die Reihe an positiven Meldungen im Grunde den gesamten Mai über fortschreiben, bis die Zinssenkung am 7. Juni dem Ganzen eine vorläufige – und medienwirksame – Krone aufsetzte. Eine Krone vor allem deshalb, weil es so schnell kein weiteres 4-Billionen-Yuan-Konjunkturpaket à la 2009 geben wird. Dass dieses direkt zu einem sprunghaften Anstieg der Konsumentenpreise in 2010-2011 beigetragen, und die Risiken im chinesischen Finanzsystem insgesamt deutlich erhöht hat, daran besteht nämlich auch in chinesischen Kreisen kein Zweifel mehr.

Wirtschaftsförderung mit zahlreichen Mögllichkeiten

Im aktuellen, politischen Umfeld jedenfalls – der Machtkampf in der Parteispitze schwelt weiter und wird erst mit der Ernennung der neuen Führung gegen Ende des Jahres endgültig entschieden sein – wird sich niemand zu weit aus dem wirtschaftspolitischen Fenster lehnen. Die Devise lautet daher: Förderung von Konjunktur und Wachstum auf allen Ebenen, ohne dies an die allzu große Glocke zu hängen.

Erste Erfolge sind bereits sichtbar

Die gerade veröffentlichten Wirtschaftsdaten für den Mai bescheinigen dieser Strategie erste Erfolge. Im saisonal bereinigten Monatsvergleich zum April nämlich beginnt sich die chinesische Volkswirtschaft tatsächlich zu berappeln. Die Industrieproduktion konnte in diesem Zeitraum um +0,89% zulegen, das reale Wachstum der Einzelhandelsumsätze betrug +1,2%, und die Investitionen im Mai lagen +1,15% über Vormonat.

Immobilienmarkt zieht bereits wieder an

Stabilisiert hat sich dabei nicht zuletzt auch die Situation am Immobilienmarkt. Die Investitionsbereitschaft der Entwickler zog zuletzt wieder deutlich an – vor allem dank deutlich höherer Umsätze, die im Mai nahezu 20% höher lagen als noch im April. Bei all dem bleibt der Preisdruck innerhalb der chinesischen Volkswirtschaft weiterhin rückläufig. Die Konsumentenpreise lagen im Mai lediglich +3,0% über Vorjahr, während es im April noch ein Anstieg von +3,4% gewesen war. Angesichts schwächerer internationaler Rohstoffmärkte fielen die Produzentenpreise den dritten Monat in Folge und sanken im Mai um -1,4%.

Sinkende Inflationsrate öffnet weiteren Spielraum

Eine überaus wichtige Schlacht im Kampf gegen die Inflation der beiden Vorjahre scheint damit geschlagen. Und obwohl ein leichter Rebound im weiteren Verlauf des Jahres nicht auszuschließen ist, lässt die offiziell angestrebte Obergrenze von +4,0% für den Konsumentenpreisindex im Moment alle Beteiligten ruhig schlafen. In China ist die Welt damit zunehmend wieder in Ordnung. Bleibt die Frage nach der nächsten großen Schlagzeile in Europa…!

Weitere stützende Maßnahmen sind zu erwarten

Unserer Ansicht nach machen die bislang ergriffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft deutlich, dass die Regierung auf eine weitere Abschwächung der Weltwirtschaft durchaus vorbereitet ist. Zwar gibt es für die Verantwortlichen aktuell noch keinen Grund zur Panik. Für die kommenden Monate aber sind eine Reihe weiterer Schritte durchaus denkbar:

  • Erneute Senkung der Mindestreserveanforderungen durch die Zentralbank – wenn nötig in verkürzten Intervallen von 1-2 Monaten (bislang ca. 2,5 Monate).
  • Lockerung der aufsichtsrechtlichen Kreditvergaberichtlinien für Immobilien- und Infrastrukturprojekte.
  • Beschleunigte Genehmigung weiterer Infrastrukturprojekte seitens NDRC.
  • Zusätzliche Investitionspartnerschaften zwischen Lokalregierungen und zentral gesteuerten, staatseigenen Unternehmen wie zuletzt in Chongqing.
  • Proaktivere Fiskalpolitik, z.B. in Form zusätzlicher Subventionen beim Kauf von Konsumgütern und Baumaterialien in ländlichen Regionen.
  • Reform des Steuersystems in Verbindung mit Steuersenkungen für Privathaushalte und Unternehmen – entsprechende Pilotprogramme laufen bereits in verschiedenen Branchen und Lokalitäten.
  • Unterstützung des Dienstleistungskonsums, z.B. durch Steuervergünstigungen im Tourismussegment.

Stimulierung der Wirtschaft durch Erhöhung der verfügbaren Kreditsummen

Ein erneuter Zinsschritt ist in naher Zukunft vermutlich nicht zu erwarten. Ein wesentlich effektiveres Instrument zur Stimulierung der Wirtschaft ist aber ohnehin die administrative Steuerung des Kreditvergabevolumens chinesischer Banken. Im Mai jedenfalls lag das Volumen der vergebenen Neukredite mit CNY 793 Mrd. deutlich über den Analystenschätzungen und übertraf das im gleichen Monat des Vorjahres vergebene Volumen um nahezu 50%. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres haben chinesische Banken damit Kredite im Gesamtvolumen von CNY 3,9 Billionen vergeben, womit sich im direkten Jahresvergleich – 2011 waren es zu diesem Zeitpunkt CNY 3,5 Billionen gewesen – erstmals seit 2009 wieder ein positiver Trend abzeichnet.

Auch aus geldpolitischer Sicht dürfte das Schlimmste für die chinesische Wirtschaft somit vorüber sein, und es ist lediglich eine Frage der Zeit, bevor das Gros der Marktteilnehmer die schrittweise Aufhellung erkennt. Bis dahin bieten sich dem informierten Anleger weiterhin exzellente Einstiegschancen bei Unternehmen, die in den kommenden Monaten von den Bemühungen der chinesischen Regierung profitieren werden.

 

 

 

 

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.