China steht vor massiver Stimulierung seiner Konjunktur

Geposted von Walter Feil am

Die China-Spezialisten von Capital Economics dokumentieren in ihrem jüngsten CAP (China Activity Monitor), dass die Konjunktur in China bis einschließlich Mai dieses Jahres stärker zurückging als dies aus den offiziell veröffentlichten Daten herauszulesen ist. Mit dem CAP erstellt Capital Economics eine eigene Analyse auf Basis einer Vielzahl von selbst recherchierten Indikatoren. Die auf Grundlage dieser Indikatoren erstellten Schätzungen von CE deuten an:

Weiterer Konjunktur-Rückgang im Mai

Das Wirtschaftswachstum fiel von April auf Mai weiter zurück. Die Veränderung im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat lag im April bei 7,1 % und im Mai bei 6,9 %. Damit wurden in den ersten fünf Monaten 2012 die Wachstumziele für 2012 (noch) nicht erreicht. CE vermutet, dass die offiziellen GDP-Daten die Schwäche im ersten Quartal 2012 beschönigt haben und dass dies auch im zweiten Quartal 2012 so sein wird. Diese Daten wären für die etablierten Industrieländern in Europa, Japan und den USA ein Traum, entsprechen jedoch nicht den Zielen, die China für sich selbst für 2012 definiert hat. Die offiziellen Daten für das zweite Quartal werden wahrscheinlich bei 7,5 % liegen im Vergleich zu 8,1 % im ersten Quartal 2012 und 8,9 % im Vergleich zum vierten Quartal 2011.

Rückgang auf breiter Basis

Die Zahlen gingen sowohl beim Manufacturing PMI als auch bei den direkten Ergebnis der Industrieproduktion zurück, die vorher für einige Monate weitgehend stabil geblieben waren. Diese beiden Bereiche sind die Hauptursachen des gegenwärtigen Rückgangs.

Frachtvolumen steigt wieder an

Das Volumen der im Land transportierten Fracht, das als breite Basis zur Einschätzung der Wirtschaftsentwicklung dient, hat wieder zugenommen. Auch das über die Überseehäfen verschiffte Volumen hat nach einen schwachen Start in diesem Jahr wieder zugenommen. Diese Angabe korrespondiert mit den Informationen über die Probleme der Reederein, die in den letzten Quartalen unter einer niedrigen Nachfrage litten, jetzt jedoch wieder einen Anstieg des Transportaufkommens feststellen. Davon betroffen sind vor allem der innerasiatische Verkehr, womit bestätigt wird, dass der Handel der asiatischen Staaten untereinander zunimmt und damit der Rückgang der Exporte nach Europa ausgeglichen wird.

Stromproduktion stabilisierte sich im Mai

Im Mai erhöhte sich auch die Stromproduktion. Der starke Rückgang im April wurde damit allerdings noch nicht ausgeglichen. Da die Industrie der größte Stromverbraucher ist, dient dies bestenfalls als Hinweis darauf, dass die Industrieproduktion sich im Mai nicht weiter abgeschwächt hat.

Reise-Aufkommen ging zurück

Die Reise-Aktivitäten von Touristen und Geschäftsleuten blieben weiterhin schwach. Der ungewöhnlich starke Rückgang über die letzten drei Monate stimmt mit Berichten über einen Rückgang der Ausgaben von Festland-Chinesen in Hongkong überein. Dies korrespondiert auch mit den Hinweisen auf geringere Umsätze der Luxusgüter-Industrie, was die Kursentwicklung der in diesem Marktsegment tätigen Unternehmen die letzten zwei Monate beeinträchtigt hat.

Bautätigkeit ging weiter zurück

Die Bautätigkeit hat sich weiter abgeschwächt. Dies ist für diesen Sektor sehr gesund, da der Bestand an unverkauften Wohnungen nach zwei Jahren des schnellen Wachstums im Immobilienbereich noch hoch ist und aufgrund der Fertigstellung weiterer noch im Bau befindlichen Projekte noch etwas ansteigen dürfte. Im Jahr 2009 spielte der starke Anstieg von Immobilienprojekten eine wichtige Rolle bei der schnellen Rückkehr zu starkem Wachstum. Ohne eine Unterstützung in diesem Bereich wird es für China schwieriger, die Entwicklung der Volkswirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

Massive Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur sind zu erwarten

Alle diese Indikatoren deuten darauf hin, dass die Konjunktur in China die ersten fünf Monate 2012 stärker zurückgegangen ist als offiziell veröffentlicht. Die chinesische Regierung wird vor diesem Hintergrund alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um das zu Jahresbeginn veröffentlichte Wachstumsziel von 7,5 % für das Gesamtjahr 2012 unter allen Umständen zu erreichen, eher noch zu übertreffen.

Im Gegensatz zu den Volkswirtschaften in den entwickelten Ländern, die bereits eine kaum mehr tragbare Staatsverschuldung aufgebaut haben, stehen China immense Finanzreserven zur Stimulierung seiner Wirtschaft zur Verfügung, die aus dem Stand heraus eingesetzt werden können. Wie schnell und wie erfolgreich eine solche Stimulierung erfolgen kann, hat China bereits 2009 bewiesen. Der Wirtschaftseinbruch dort war in wenigen Monaten überwunden und hinterließ im Strom der langfristigen Entwicklung nur eine kaum wahrnehmbare Delle. Kurze Zeit später waren bereits wieder gezielte Maßnahmen zur Eindämmung der überbordenden Konjunktur notwendig.

Darüber hinaus unterscheidet sich China noch in einem wesentlichen Punkt von den Wirtschaftszonen der sogenannt entwickelten Länder: im Gegensatz zu den demokratisch gwählten Regierungen der Industriestaaten entscheidet die Zentralregierung in China ohne Opposition, welche Maßnahmen in Gang gesetzt und wie viel Finanzmittel hierfür bereitgestellt werden. Das hierzulande extrem zeitraubende Bemühen, politische Mehrheiten für bestimmte Entscheidungen zu finden, entfällt vollständig.

Chinesische Sonderkunjunktur bietet excellente Anlage-Chancen

Die chinesischen Aktien-Indices sind derzeit noch günstig bewertet. Die internationalen Investoren haben jedoch schon begonnen, diese günstige Chance zu nutzen: seit Anfang Juni kletterten die Kurse bereits deutlich.

Handelsblatt-Mitarbeiter Finn Mayer-Kuckuk (Peking) weist in seinem Beitrag vom 22.6.2012 ebenfalls darauf hin, dass der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao für dieses Jahr ein gleichmäßiges und robustes Wachstum angekündigt hat. Dieses Ziel ist zumindest in den ersten fünf Monaten nicht erreicht worden. Dementsprechend wurden bereits zahlreiche Maßnahmen zu Ankurbelung der Wirtschaft in Gang gesetzt. Dazu zählen unter anderem:

  • Herabsetzung der Mindestreservesätze, um ein höheres Kreditvolumen freizusetzen
  • Senkung der Zinssätze
  • Wieder mehr Freiheiten für die Regionalregierungen für Projektentwicklungen
  • Vor allem jedoch Bereitstellung großer Finanzreserven für Infrastrukturprojekte

Das Handelsblatt zitiert die Einschätzung der Credit Suisse, die für die HanSeng-Index ein Aufwärtspotential von 39 % sieht.

 

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.