China strebt nachhaltige Immobilienentwicklung an

Geposted von Walter Feil am

Am 24.8. berichtete das Webportal “German.China.org” über eine Anordnung der chinesischen Zentralregierung, dass die Provinzregierungen die Beschränkungen auf dem Immobilienmarkt keinesfalls lockern dürfen. In 2010 wurde die Erhöhung der Wohnungspreise gebremst, indem von den Immobilienkäufern höhere Eigenkapitalquoten (bis über 50 %) verlangt wurden, die Anzahl der Immobilien, die eine Person besitzen darf, begrenzt sowie die Grunderwerbsteuer und der Zinssatz für die Finanzierung erhöht wurde.

Beschränkungen am Immobilienmarkt trotz sinkendem Wirtschaftswachstum

Das Festhalten an den 2010 eingeführten Maßnahmen zur Abkühlung des sich überhitzenden Immobilienmarktes verwundert auf den ersten Blick, da sich das Wachstumstempo von Chinas Wirtschaft im Jahr 2011 deutlich verlangsamt hat und auch in 2012 vor dem Hintergrund sinkender Exporte in die USA und nach Europa auf den ersten Blick eher eine massive Stimulierung des inländischen Immobilienmarktes sinnvoll erscheint. Der Wirtschaftsdienst “Capital Economics” beleuchtet in seinem ”China Economics Update” vom 29.8. die Hintergründe für diese Entscheidung. Ein tieferer Einblick in die Zusammenhänge lässt die Entscheidung, an den Beschränkungen festzuhalten, als eine kluge Maßnahme zur nachhaltigen Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas erscheinen.

Wirtschaftswachstum in China wird künftig geringer sein als in den vergangenen Jahren

Die Wachstumsraten früherer Jahre werden sich in 2012 und auch in den folgenden Jahren nicht wiederholen. Für das aktuelle Jahr strebt die Zentralregierung ein Wirtschaftswachstum von mindestens 7,5 % an. Kenner Chinas rechnen damit, dass massive Maßnahmen in Gang gesetzt werden, um dieses Ziel zu erreichen, nachdem die Abkühlung im ersten Halbjahr 2012 deutlicher ausfiel als ursprünglich erwartet.

In westlichen Medien wird diese Abkühlung mit dem Hinweis auf die Wachstumsraten früherer Jahre bis zu 12 % jährlich häufig stark dramatisiert. Dabei bleibt außer Betrachtung, dass nach den vielen Jahren mit einer extrem stürmischen Wirtschaftsentwicklung jetzt eine Phase folgen muss, in der die wirtschaftliche Entwicklung verlangsamt und stabilisiert wird und eine Hinwendung zur Entwicklung des Binnenmarktes für dieses 1,6-Milliarden-Volk erfolgt. Genau dies hat die Zentralregierung auch als die wichtigsten Ziele gemäß dem aktuell gültigen 5-Jahres-Plan definiert.

Immobilienmarkt trug bisher 10 % zur Wirtschaftsleistung bei

China hat in den vergangenen 15 Jahren über 90 Millionen Immobilien errichtet. Dies würde ausreichen, um sämtliche Einwohner von Deutschland, Frankreichs und Großbritanniens mit Wohnungen zu versorgen. Diese gigantische Bauleistung hat das Wirtschaftswachstum angetrieben und war auch eine Schlüsselindustrie, in der die Millionen von Wanderarbeitern Arbeit fanden. Als die Export-Industrie im Jahr 2009 schrumpfte, fanden Millionen von entlassenen Arbeitern in der Bauwirtschaft eine neue Arbeitsstelle.

Zusätzlich zu den Bauunternehmen beflügelte der Immobilienboom auch die davon abhängigen Wirtschaftsbereiche wie die Zulieferer von Baumaterial, die Möbelindustrie und die Raumausstatter. Wenn alle diese Bereiche zusammen betrachtet werden, stand der Immobilienbereich für etwa 10 % der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes.

Darüber hinaus profitierte die gesamte Rohstoff-Industrie vom Bauboom. Der Immobiliensektor und die Infrastrukturmaßnahmen standen zusammen für ein Viertel des weltweiten Stahlverbrauchs.

Zwei Millionen Immobilien stehen zum sofortigen Kauf bereit

Die Restriktionen der Zentralregierung sind jedoch nicht der einzige Grund, warum der Immobiliensektor derzeit weniger zum Wachstum beiträgt. Aus der vergangenen Boomzeit besteht noch ein Überhang von über 2 Millionen bereits fertiggestellten Immobilien, die zum Kauf bereitstehen. Weitere etwa 30 Millionen Einheiten sind im Bau. Dies ist genug, um die Nachfrage nach Wohn-Immobilien für die nächsten drei bis vier Jahre zu decken. Vor diesem Hintergrund zögern die Projektentwickler, neue Projekte in größerer Anzahl aufzulegen. Ein starker Anstieg der Bautätigkeit erscheint somit sehr unwahrscheinlich, so dass aus diesem Bereich keine besondere Stimulanz für die chinesische Wirtschaft zu erwarten ist.

Langsame Belebung des Immobilienmarktes unterstützt die gewünschte nachhaltige Entwicklung

Eine eher zögerliche Belebung des Immobilienmarktes erscheint auf dem Weg zu einer künftig nachhaltigeren Entwicklung der Wirtschaft das Beste zu sein. China hat noch einen langen Weg vor sich, die fortlaufend wachsende Bevölkerung, die vom ländlichen Bereich in die Städte strebt, mit Wohnraum zu versorgen. Das Tempo, mit dem sich dieser Bereich die letzten 10 Jahre entwickelt hat, war ungesund und nicht nachhaltig. Eine weitere Immobilienflut, die mit staatlichen Stimulierungsmaßnahmen jetzt in Gang gesetzt werden könnte, würde kurzfristig Wachstum ergeben, jedoch in der Zukunft zu einem größeren Problem führen. Die aufgrund der eingangs erwähnten Beschränkungen verlangsamte Bautägigkeit führt dagegen zu der gewünschten Nachhaltigkeit auch im Immobilienbereich und vermeidet neue Übertreibungen.

Mit Blick auf die längerfristige Entwicklung scheint die Entscheidung der Zentralregierung, jetzt keine besondere Förderung des Immobilienbaus zu starten, eine kluge und auf ein nachhaltig gesundes Wirtschaftswachstum zielende Entscheidung zu sein.

Automobilindustrie mit ähnlichen Entwicklungen

Der Investmentboom in 2009 führte auch in anderen Bereichen zu Übertreibungen. Die Automobilproduktion in China verdoppelte sich innerhalb von zwei Jahren. Die Verkäufe konnten jedoch trotz staatlicher Anreize nicht in der gleichen Geschwindigkeit wachsen. Autobauer waren zu Preisnachlässen gezwungen, die dazu führten, dass auch gefragte Modelle mit Nachlässen von 20 – 30 % verkauft wurden. Produktionsstraßen wurden außer Betrieb genommen und Autobauer machten zu oder fusionierten mit anderen zu größeren Einheiten. (Hinweis: Die Nachfrage nach Luxusautos insbesondere deutscher Herkunft ist nach wie vor stark.)

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.