Chinas langer Weg zu einem marktwirtschaftlich orientierten Sozialismus

Geposted von Walter Feil am

Niemand bezweifelt heute noch, dass China trotz seiner kommunistisch-sozialistischen Prägung einen überzeugenden Weg zu einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftspolitik gefunden und damit in den letzten 25 Jahren einen bewundernswerten wirtschaftlichen Aufstieg erreicht hat. Ein Beitrag in der jüngsten Online-Ausgabe von Caixin, einer der führenden Wirtschaftszeitungen Chinas, berichtet von den Diskussionen, welche Art von Wirtschaftspolitik für China gelten sollte, in den späten 80er- und frühen 90-er Jahren.

Heftige Diskussionen über die Wirtschaftspolitik Anfang der 90er-Jahre

In den späten 80er-Jahren entstand in der politischen Führung Chinas eine heftige Diskussion, welchen Weg China zur Weiterentwicklung seiner Wirtschaft weiter verfolgen sollte. Dies führte China zu der Gefahr, den eingeschlagenen Weg der Öffnung und der wirtschaftlichen Reformen zu verlassen. In dieser kritischen Phase wurde jedoch der Pfad der nationalen Reformen von weitsichtigen und mächtigen Mitgliedern des Politbüros nochmals bestätigt.

Generalsekretär Jiang Zemin bekräftigt das Ziel wirtschaftlicher Reformen

Am Morgen des 12. Oktober 1992 hielt der seinerzeitige Generalsekretär Jiang Ziang vor dem 14. Nationalen Kongress der chinesischen kommunistischen Partei eine denkwürdige Rede. Als es zur Diskussion über die ökonomischen Reformen kam, wich Jiang von seinem Redemanuskript ab und sagte: „Jetzt, nachdem wir ein tieferes Verständnis über die Auswirkungen der Marktkräfte in der Praxis gewonnen haben, sollten wir ausdrücklich festhalten, dass das Ziel der wirtschaftlichen Reformen die Etablierung einer sozialistischen Marktwirtschaft ist, die die produktiven Kräfte weiter fördert und vergrößert“. 

Diese Rede wurde in der Großen Halle des Volkes in Beijing mit einem donnernden Applaus honoriert. Sogar der 88-jährige Reformpionier Deng Xiaoping applaudierte nach Jiangs Rede für jedermann sichtbar vor laufender TV-Kamera.

Die von Jiang Zemin benannte „sozialistische Marktwirtschaft“ wurde zu einem klaren Ziel der ökonomischen Reformen. Die Formulierung dieses Ziels war die Grundlage für die folgenden zwei Dekaden des ökomischen Fortschritts.

Wiedererstarken des Wachstums nach schwachen Jahren Ende der 80er-Jahre

1989 verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum in China auf 3,8 Prozent. Dies war das schwächste Wachstum seit 1978, und dies spornte Deng Xiaoping an, seine Bemühungen um weitere Reformen zu verstärken.

Am 3. März 1991 lud er den kurz zuvor ernannten neuen Generalsekretär Jiang Zemin und andere Mitglieder des Politbüros (das ist das Zentrum der politischen Macht in China) zu privaten Gesprächen in sein Haus ein. Seine Botschaft an das Zentralbüro war: „Viele Nationen in dieser Welt sind bereits untergegangen, und die Hauptursache war stets eine schwache Wirtschaftsleistung.“ Und er fügte seine Besorgnis über die möglichen Konsequenzen eines schwachen Wachstums hinzu: „Solange die Wirtschaft in China nicht mehr als 5 Prozent jährlich wächst, wird die Partei nicht nur mit wirtschaftlichen, sondern auch mit politischen Schwierigkeiten rechnen müssen.“

Pragmatischer Ansatz hilft politischen Widerstand zu überwinden

Deng Xiaoping empfahl einen pragmatischen Ansatz und beschwor seine Zuhörer, die Reformen zur Öffnung der Wirtschaft mit Macht voranzutreiben. Er ließ dabei die Kontroversen über die Unterschiede zwischen Sozialismus und Kapitalismus außen vor. Die Medien hatten seinerzeit den Begriff „Marktwirtschaft“ aus ihrem Wörterbuch gestrichen. Sie benutzten statt dessen den Ausdruck „markt-orientierte Reform“. 

Bereits im Dezember 1990 hatte Deng in privaten Gesprächen mit Jiang Zeming, Li Peng und Yang Shangkun Gespräche über die künftige Rolle des „Marktes“ in Chinas wirtschaftlicher Entwicklung geführt. „Sozialismus beinhaltet auch eine Marktwirtschaft“ betonte Deng in diesen Gesprächen. „Einige Marktprinzipien zu übernehmen bedeutet nicht, sich vom Kapitalismus vereinnahmen zu lassen.“

Deng’s Ansichten waren für China eine Sensation

Einzelheiten über die Gespräche, die Deng in privatem Umfeld mit den politischen Führern führte, erschienen im März 1991 in einer Artikelserie der „Liberation Daily Newspaper“ unter dem Pseudonym „Huangfu Ping“. Diese Gedanken waren ein landesweite Sensation. Der Verfasser argumentierte, dass der Schlüssel zu Chinas Erfolg seine „geplante Volkswirtschaft“ sei.

Zu jener Zeit war „eine dramatische Veränderung im Denken“ notwendig, um die „überkommene tiefe Abneigung der politischen Führung gegen Marktprinzipien zu überwinden“.

Chinas Öffnung zu einer sozialistisch gesteuerten Marktwirtschaft war erfolgreich

Wie allgemein bekannt ist, hat China seit 1990 einen überzeugenden Wachstumserfolg erreicht. Dies war nur möglich, indem sich die politische Führung einigen konnte, den eingeschlagenen Weg zu einer sozialistisch geprägten und zentral gesteuerten Marktwirtschaft gemeinsam zu tragen.–

Kommentar:
Westliche Industrieländer, allen voran die USA, könnten eine Menge lernen, wenn sie die Entwicklung Chinas und die dort erprobten Erfolgsfaktoren näher untersuchen würden. Starrsinniges Beharren auf dogmatischen Argumenten, wie wir es in den USA derzeit beobachten müssen, hat noch in keinem Land zu einen nachhaltigen Erfolg geführt, pragmatische Kompromisse und Lösungen jedoch schon.

 

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.