In China sind die Aktienkurse seit dem letzten Hoch am 26.05. deutlich zurückgegangen. Die Medien berichteten fast täglich von einem dramatischen Crash. Je nach zitierter Börse (international gehandelte H-Aktien an der Börse Hong Kong, nationaler Markt für A-Aktien in Shanghai oder – als besonders dramatisches Beispiel mit extremen Kursrückgängen – die ChiNext mit Werten von IT-StartUps in Shenzhen) wird von Rückgängen von 30 oder bis über 50 Prozent berichtet.
CSI300 mit Rückgang von 25 Prozent
Wir orientieren uns an der Entwicklung eines ETF, der die 300 größten Werte an der chinesischen Inlandsbörse in Shanghai abbildet. Über diesen ETF auf den CSI300-Index können auch deutsche Anleger investieren. Der Rückgang von über 25 % seit dem letzten Hoch am 26.05. erscheint tatsächlich dramatisch.

CSI300 vom 26.05. bis 06.07. 2015 (schwarze Linie) im Vergleich zum Weltaktienindex (dünne blaue Linie)
CSI300 heute auf dem Stand von Ende März dieses Jahres
Wenn wir allerdings die Entwicklung über den Verlauf der letzten zwölf Monate betrachten, ist dieser Rückgang nur ein ganz normaler Abbau der vorausgegangenen Übertreibung. Heute steht der CSI300 auf dem Stand von Ende März dieses Jahres und immer noch deutlich höher als der Weltaktienindex.

CSI300 letzte zwölf Monate bis 06.07.2015 (schwarze Linie). Zum Vergleich: Weltaktienindex (dünne blaue Linie)
Die Kurse waren bis zum 26.05. extrem gestiegen, was – vor allem in der letzten Phase – auf die massiven Käufe von chinesischen Anlegern zurückzuführen ist, die 90 Prozent des chinesischen Inlands-Umsatzes ausmachen. Viele Millionen Chinesen hatten neue Depots eröffnet und nicht nur ihr eigenes Kapital investiert, sondern darüber hinaus sogar Kredite aufgenommen, um über „Margin-Trading“ ihre Chancen zu erhöhen. Diese Übertreibung rief die politische Führung auf den Plan. Sie erließ unter anderem Vorschriften, die die ausufernde Kreditfinanzierung von Aktienkäufen begrenzten. Die Stimmung schlug um. Verkäufe begannen.
Ein Rückgang von 25 % wie im CSI300 und von deutlich mehr in anderen Indizes erschien der Führung Chinas jetzt doch gefährlich. Sie fürchtet die politischen und sozialen Auswirkungen eines so starken Rückgangs, der letztlich auch die Vermögensreserven der Mittelschicht und auch der weniger vermögenden Bürger beeinträchtigt.
Politische Führung in China nimmt Einfluss auf die Börsenentwicklung
Wie besorgt die chinesische Führung ist, lässt sich auch daran erkenne, dass Premier Li Keqiang am letzten Wochenende das Kabinett zu einer Krisensitzung einberief. Vermutlich sind die Erinnerungen an die Börsenrally 2007 mit anschließendem Rückgang in 2008 noch präsent. Seinerzeit fielen die Bewertungen im Rückgang unter die Ausgangswerte vor Beginn der Rally zurück. Der Aktienmarkt in Shanghai zeigt seit September 2014 (siehe graue Linie der folgenden Grafik) die gleiche Entwicklung wie seinerzeit ab Ende 2006 (siehe blaue Linie). Die Befürchtung ist, dass auch die aktuelle Abwärtsbewegung genauso verlaufen könnte wie im Jahr 2008.
Eine Wiederholung dieser Entwicklung will die politische Führung in China ausschließen. Die Beschlüsse waren unter anderem:
- Neue Börsengänge werden zunächst ausgesetzt. Damit will die Regierung vermeiden, dass weiterhin viel Liquidität in neue Börsenteilnehmer fließt. Das führt zu einer Stabilisierung der Kurse der bereits gelisteten Aktien.
- Die Liquidität für die Börsen wird stark erhöht. Die großen Wertpapierhäuser erklärten sich (vermutlich nicht ganz freiwillig) bereit, mindestens 120 Milliarden Yuan (ca. 17,5 Milliarden Euro) für langfristige Aktienkäufe auszugeben. Verkäufe würden erst wieder stattfinden, wenn der Index wieder über 4.500 steht.
- Die Zentralbank kündigte an, die Broker bei kreditfinanzierten Aktienkäufen massiv zu unterstützen.
Mit diesen Maßnahmen will die Regierung einen weiteren Rückgang der Börsenkurse verhindern. So soll das Vertrauen in die langfristige Gesundheit des Aktienmarktes in China wieder hergestellt werden.
Kommentar:
Die Börsen in Shanghai (für den inländischen Aktienmarkt in China) und Hong Kong (für internationale Investoren) haben eine lange Durststrecke hinter sich. Nach den jüngsten starken Kurszuwächsen bis zum 26.05. war die Börse in Shanghai überdurchschnittlich bewertet. Der Kursrückgang der letzten Wochen führte die Bewertungen wieder auf ein günstigeres Niveau zurück. Dies und die klar erkennbare Politik in China lassen erwarten, dass die Wiederaufnahme einer positiven Entwicklung folgt. Wir halten uns weiterhin von den hochspekulativen Börsen wie „ChiNext“ fern, haben jedoch begonnen, bei jetzt gedrückten Kursen wieder kleinere Positionen in Shanghai und in Hong Kong einzusammeln.