Das Märchen von dem stets realen Börsenwert

Geposted von Walter Feil am

Als im April dieses Jahres das twitter-account der Associated Press gehackt wurde und sodann eine Falschmeldung über zwei Explosionen im Weißen Haus verbreitet wurden, ging die Bewertung der amerikanischer Leitindizes innerhalb von Sekunden deutlich nach unten. Exemplarisch für die Reaktion der Medien steht die Headline, unter der “Das Investment” am 24.4. online berichtete: “Chaos pur”: Falschmeldung vernichtet 136 Milliarden Dollar. “Das Investment” führt dann weiter aus: “Obwohl sich die Indizes schnell wieder erholten, wurden nach Medieninformationen innerhalb nur weniger Minuten rund 136 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet.”

Der Börsenkurs ist nicht der reale Unternehmenswert

Diese angebliche “Vernichtung” von 136 Milliarden Börsenwert führt schon zu der Frage, ob diese Kursveränderung an dem realen Wert der an der Börse gehandelten Unternehmensbeteiligungen (= Aktien) etwas verändert hat. Bei diesem extremen Beispiel wird offensichtlich, dass dies nicht der Fall war. Kurze Zeit später waren die Zusammenhänge bekannt, und die Börsenkurse erholten sich fast genauso schnell wieder wie sie vorher gefallen waren.

Der Börsenwert eines Unternehmens wird nicht nur von der ernsthaften, seriösen Bewertung eines Unternehmens beeinflusst, sondern zusätzlich von zahlreichen anderen Faktoren. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Die Einschätzung der Gewinnentwicklung in der Zukunft.
    Diese Einschätzung ist von vielen Variablen abhängig, die niemals alle exakt vorhergesehen werden können. Am Ende entscheidet der einzelne Investor auch nach seinem “Bauchgefühl”, oder er folgt den Veröffentlichungen von Analysten, bei denen man nie genau weiß, ob nicht auch Eigeninteressen der jeweiligen Finanziers dahinterstecken. Solange Marktteilnehmer, die in Eigenverantwortung Kundendepots verwalten oder über ihre Analysten Markteinschätzungen verbreiten, gleichzeitig selbst in großem Umfang Eigenhandel betreiben, bleiben meine Zweifel, ob in diesem Feld alle Interessenkonflikte sauber behoben werden können.
  • Die strategischen Ziele von Investoren
    Viele Investoren investieren nicht alleine gemäß ihrer Einschätzung der künftigen Entwicklung eines Unternehmens, sondern auch gemäß strategischen Zielen. Das wohl auffälligste Beispiel der jüngeren Zeit ist die Kursentwicklung der VW-Aktie, die im Herbst 2008 kurzzeitig auf über 1.000 Euro gestiegen war. Dahinter steckten die Maßnahmen der Porsche AG, die seinerzeit anstrebte, die Mehrheit an VW zu übernehmen. Das hatte natürlich nichts mehr mit dem realen Wert der Volkswagen AG zu tun.
  • Die Vorgaben der Regulierungsbehörden
    Zahlreiche Investoren, allen voran die Versicherungsunternehmen, unterliegen teilweise sehr einschränkenden Vorgaben der jeweiligen Aufsichts- oder Regulierungsbehörde. Als die Aktienkurse im Jahr 2002 schon sehr weit gefallen waren, wurde der Kursrückgang noch verstärkt durch den Abbau der Aktienbestände aus dem Portfolio von Versicherungsunternehmen, die damit – genau zum falschen Zeitpunkt – einige stille Reserven auflösten. Die Entwicklung wurde durch zusätzliche Vorgaben und Auflagen der Aufsichtsbehörden noch verschärft, was letztlich auch ein Mit-Auslöser für den finalen Sell-Out in den ersten Monaten von 2003 war.
  • Die verfügbare Liquidität bei den Investoren
    Der jüngste Einbruch der Aktienkurse im Juni 2013 wurde im wesentlichen verursacht von der (übertriebenen) Angst der Investoren, dass die amerikanische Notenbank ihre bisher reichlich fließende Liquiditäts-Injektionen in Kürze zurückfahren würde. Auf Furcht vor steigenden (Kurzfrist-) Zinsen bauten Investoren weltweit ihre (spekulativen?) Positionen ab, was sowohl in den Aktien- als auch in den Rentenmärkten zu einem schnellen und heftigen Kursrückgang führte. Als sich die anfänglichen Befürchtungen bezüglich einer alsbaldigen Liquiditäts-Verknappung als unbegründet herausstellten, stiegen die Kurse fast genauso schnell wieder an.
Weltaktienindex vom 1.4. bis 17.7. 2013: Die Sorge um eine alsbald auslaufende Liquiditätsversorgung durch die Fed verstärkte den Rückgang der Aktienkurse Mitte Juni. In wenigen Tagen vielen die Kurse um weitere 5 %. Einige Tage später, als sich die Befürchtungen der Investoren als übertrieben herausstellten, stiegen die Kurse genauso schnell wieder an.

Langfristig orientierte Anleger nutzen die Chancen und kaufen bei tiefen Kursen

Langfristig orientierte Anleger sind sich bewusst, dass der wahre Wert von Unternehmen niemals durch den gerade aktuellen Börsenkurs wiedergespiegelt wird. Das Auseinanderlaufen von wahren Unternehmenswert und Börsenkurs wird an einer Grafik deutlich, die ich aus einem Vortrag anläßlich der jüngsten Assetmanager-Konferenz bei der DWS entnommen habe. Sie zeigt die Entwicklung des Kurs-Buchwert-Verhältnisses der DAX-Unternehmen im Vergleich zur Kursentwicklung des DAX. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis verändert sich relativ träge und (in diesem Betrachtungszeitraum von 1996 bis 2012) tendenziell nach oben. Der Kurs des DAX dagegen entwickelte sich im gleichen Zeitraum unter heftigen Schwankungen. Dreimal tauchte der Kurs tief ab. Das waren für den Langfrist-Anleger die besten Phasen, den Bestand an erstklassigen Aktien (hier: die dreissig DAX-Werte) für die langfristige Vermögensbildung auszubauen.

Der aktuelle Börsenkurs spiegelt niemals den wirklichen, wahren Wert eines Unternehmens wieder. Dies öffnet dem langfristig orientierten Anleger beste Chancen, echte Werte preisgünstig einzukaufen. Besondere Chancen entstanden nach den starken Kursrückgängen bis Anfang 2003 und bis Anfang 2009. – Grafik aus einem Vortrag der DWS / Assetmanager-Konferenz

 

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.