Exclusives Steuerparadies Europa für Weltkonzerne

Geposted von Walter Feil am

Knapp 8 Billionen USD Vermögen liegen in Offshore-Finanzzentren. Das “privatebanking-Magazin” nennt in der heute zugestellten Spezialausgabe auch die Standorte: 2.100 Mrd in der Schweiz, 940 Mrd auf den Kanalinseln und Dublin, 500 Mrd in Luxemburg, 1.020 Mrd in der Karibik und Panama, 1.010 Mrd in Honkong und Singapur und 2.106 in weiteren Ländern. Die Finanzverwaltungen zahlreicher Länder sind auf der Jagd nach Einkommen und Vermögen, auf die keine Steuern abgeführt wurden.

Steuerparadiese mitten in Europa

Zahlreiche Regierungen mitten in Europa weisen parallel dazu seit vielen Jahren öffentlich darauf hin, wie Unternehmen ihre Steuerzahlungen reduzieren können. Hierzu ist nur eine Verlagerung des Unternehmenssitzes in das jeweilige Land erforderlich, das sodann die dort steuerpflichtigen Unternehmensgewinne mit weniger als der Hälfte belastet als das Land, in dem diese Unternehmen bisher ihren Firmensitz hatten.

10 % in Zypern und 12,5 % in Irland

Warum sollte eine Internetfirma, die ihre Geschäfte in Deutschland tätigt und hier auch ihre Umsätze und Gewinne erzielt, fast 30 % (deutsche) Körperschaftsteuer bezahlen, wenn es in Irland für 12,5 % geht? In Zypern zahlen Unternehmen sogar nur 10 % Steuern auf Gewinne. Kein Wunder, dass zahlreiche der sprichwörtlich erfolgreichen Reederfamilien in Griechenland das benachbarte Zypern (oder andere Steueroasen auf dieser Welt) als den besseren Sitz für ihre Geschäfte empfinden.

Kreuzfahrten bucht man heute über das Internet bei Reedereien, die ihre Kunden online in Deutschland finden, ihre Gäste in Piräus (Griechenland) einschiffen – und ihren (steuerlichen) Firmensitz in Zypern haben.   (1a-kreuzfahrten.net)

Im August sprach ich in England mit einer Dame, die gerade von einem mehrjährigen Lehrauftrag in Irland in das heimatliche Deutschland zurückreiste.  Sie berichtete von der neuen beruflichen Aufgabe ihres Lebensgefährten: Im Auftrag der irischen Regierung besucht dieser die Zentralen der in Europa tätigen Konzerne und schildert den Vorständen die Vorteile eines Geschäftssitzes im Steuerparadies Irland. So akquieriert man neue “Kunden”!

Von der Armut über den Boom rasant in die Krise

Irlands Steuerdumping ist mit seinen mehrfach katastrophalen Folgen ein besonders krasser Fall. Der Industrieanzeiger weist seine Leser in einem Beitrag Anfang 2000 darauf hin, wie “die früher bitterarme Republik” durch EU-Subventionen für Arbeitsplätze und Wirtschaftsförderung “in Riesenschritten aufholte”. Bis 2002 betrug der Körperschaftsteuersatz 10 %, ab 2003 dann 12,5 %. Tausende von Unternehmen verlagerten ihre Tätigkeit (zumindest die Unternehmensleitung) nach Irland. Arbeitsplätze entstanden, Löhne und Gehälter stiegen – die heimische Bevölkerung profitierte zweifellos von der Zuwanderung von Unternehmen.

Milliarden wurden in Immobilien investiert. 10 % Steuern auf die Gewinne der Schlange stehenden Konzernführer aus ganz Europa puschten das kleine Land in die Prosperität – bis die Finanzmärkte zusammenbrachen. So schnell wie die neuen Steuerquellen das Land mit Geld überflutet hatten, so schnell versiegten sie auch wieder. Zurück blieben hoch finanzierte Immobilien von jetzt arbeitslosen Iren, illiquide Banken und leerstehende Bürogebäude.

Rettung für das Steuerparadies durch die Nachbarn und öffentliches Lob

Die europäischen Nachbarn (die gleichen, die vorher Arbeitsplätze und steuerzahlende Konzernsitze an Irland verloren hatten) ließen Irland nicht im Stich und halfen mit Milliarden. Die Krise wurde eingedämmt, die Wirtschaft erholte sich wieder. Irland wurde in zahlreichen Stellungnahmen öffentlich für seine Restrukturierungsmaßnahmen gelobt.

Eine der Maßnahmen zur Verbesserung des Staatshaushaltes ist die Einstellung von ”Sonderbeauftragten”, die jetzt schon wieder ausschwärmen, um Firmensitze und damit Steuerzahler für Irland zu akquirieren.

50.000 Euro pauschal für Millionengewinne auf Gibraltar

Wenn Ihnen der Winter in Deutschland ohnehin schon lange zu nass und zu kalt ist, verlagern Sie Ihren privaten Wohnsitz nach Südspanien in eine der dort hervorragend organisierten und gepflegten Wohngebiete nahe der Grenze zu Gibraltar. Nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes sind wunderschöne Häuser auch in besten Aussichtslagen dort für kleines Geld zu kaufen und zu mieten. Ihren Firmensitz etablieren Sie dann nur wenige Kilometer entfernt auf der Felseninsel, die Ihnen für die dort erzielten Gewinne nur 10 % Steuern berechnet.

Alternativ zahlen Sie eine Pauschalsumme und ersparen sich damit die lästige Bürokratie in Zusammenhang mit Steuererklärungen. “Die Welt” berichtete bereits im April 2004 über die Bemühungen der EU-Kommission, die immensen Gewinne, die (unter Anderem) spanische Immobilienunternehmen (seinerzeit) erzielten, der Besteuerung zu unterwerfen. Das erinnert an Irland: Einige wenige erzielten im spanischen Immobilienboom Milliardengewinne. Ein Firmensitz im 4,5 Quadratkilometer großen Gibraltar ermöglichte es, diese Gewinne (fast) steuerfrei einzustreichen.  (Die Welt 1.4.2004)  Auf den Boom folgte der Zusammenbruch. Heute stellen alle Euroländer gemeinsam 100 Milliarden Euro bereit, um die spanischen Banken, die diese Geschäfte leichtfertig finanziert haben, zu retten.

Geschäfte und Gewinne weltweit – steuerfrei mit Firmensitz mitten in Europa

Bis heute hat sich an den Steuerspar-Angeboten von Gibraltar nichts geändert. Weltkonzerne mit Milliardengewinnen profitieren auch heute noch davon. Ein Investmentspezialist, der die aktuellen Verhältnisse in Gibraltar sehr gut kennt, bestätigte mir im August, dass auch heute noch eine Vereinbarung über eine Pauschalzahlung im fünfstelligen Bereich von jeglicher Steueradministration befreit. Die jüngste Entwicklung verärgert einige der in Gibraltar schon länger ansässigen Geschäftsleute, weil sie die Schnelligkeit der Internetverbindungen beeinträchtigt: Zahlreiche Anbieter von Online-Wetten haben ihre Server in einem Gebäude am Hafen von Gibraltar aufgestellt und betreiben von dort aus ihr Geschäft. Die Belastung der Internetleitungen ist zwischenzeitlich so extrem angestiegen, dass andere darunter leiden. Kunden aus ganz Europa schließen ihre Wetten online über die Serverzentrale in Gibraltar ab. Die Gewinne für die Betreiber sind enorm, die Steuerzahlungen sind die sprichwörtlichen Peanuts.

Niedrigsteuer auch flächendeckend in den USA

Die USA haben es in kürzester Zeit geschafft, ihren Bürgern den Weg zu nicht deklarierten Konten in der Schweiz zu verstellen. Dies ging ganz einfach: Schweizer Banken, die sich weigerten, die Geschäftsbeziehungen zu US-Bürgern offenzulegen, wurde damit gedroht, die Geschäfte in den USA durch Verweigerung der US-Banklizenz gänzlich zu unterbinden. Das verursachte eine Krise in der Schweizer Bankenwelt und führte in einer denkwürdigen Sondersitzung zwischen Weihnachten und Neujahr und zur Aufhebung des Schweizer Bankgeheimnisses für US-Bürger.

Gleichzeitig gibt es jedoch auch in den USA ein Niedrigsteuer-Feld: “Capital Gains” (z.B. Gewinne aus Aktienverkäufen nach einer Haltedauer von mehr als einem Jahr) werden nur mit 15 % besteuert, für Bezieher geringer Einkommen sogar nur mit 5 %. Das führt dazu, dass die Reichen und Superreichen in den USA, die einen Großteil ihres Einkommens aus der Wertsteigerung ihres Aktienbesitzes ziehen, sehr wenig Steuern zahlen. Mark Zuckerberg hat kürzlich erkärt, dass er “mindestens ein Jahr lang” keine Aktien verkaufen wird. Nicht unklug, diese Entscheidung gegenüber den Anlegern als vertrauensbildende Kurs-Stützung zu verkaufen.

Nebenbei sei auch die Frage erlaubt, warum facebook seine Europa-Zentrale ausgerechnet in Irland aufgebaut hat?

Null Steuern in Daleware

Auch in den USA geht es noch billiger. Gründen Sie Ihre Firma in Daleware. Dann zahlen Sie statt regulärer Steuern auf die Gewinne nur eine “Franchise-Tax” in Höhe von USD 250 (!) jährlich.  Die Firmengründung ist ganz einfach. Nach erfolgter Anmeldung können Sie von dort aus weltweit “offshore” (also überall ausserhalb der USA) Geschäfte betreiben. Stammkapital brauchen Sie dazu nicht. Steuerzahlungen entfallen. Das Firmenkonto kann angeblich auch in der Schweiz liegen. Da es kein “Privatkonto” ist, wird es von dem neuen Abkommen zwischen der Schweiz und den USA auch nicht erfasst. Allianz, VW und Lufthansa sind angeblich auch schon da. Die FAZ wies in ihrem Beitrag über die Maßnahmen der USA gegen die Schweiz am 4.4.2012 wieder einmal auf diesen Anachronismus hin, der dazu führt, dass in dem kleinen Staat, in dem nur 900.000 Menschen leben, 695.000 Unternehmen registriert sind. (Link zum Bericht) 

5 % Steuern in Malta – Firmengründung Online

Wenn Sie mit Ihrem Steuer-Reduzierungs-Firmensitz nicht ganz so weit auswandern wollen, geht das auch in Europa. In Malta zahlen Sie auf die Gewinne nur 5 % Steuern. Die Firmengründung bereiten Sie online vor, die Administration übernehmen spezialisierte Anbieter direkt vor Ort.

Auch Apple zahlt nur 2 % Steuern im Steuerparadies Europa

Wie das Handelsblatt vorgestern berichtete, funktioniert das “Steuersparmodell Europa” auch heute noch hervorragend und führt u.A. dazu, dass ein Weltkonzern wie Apple nur 1,9 % Steuern auf seine Gewinne bezahlt. Diese und andere Konzerne verstoßen nicht gegen das Gesetz, sondern nutzen legale Gestaltungsmöglichkeiten. „Sie profitieren von den unterschiedlichen Niveaus der Steuersätze in verschiedenen Ländern und von der Mobilität der Einkünfte“, schreibt das Handelsblatt. Offenbar funktionieren verschachtelte Gestaltungen, wie sie seinerzeit Boris Becker (mit nicht ausreichender Konsequenz und deswegen erfolglos) versucht hat, heute immer noch.

Politiker in Brüssel geben keine Auskunft

Anläßlich eines Symposiums in Köln, an dem auch ein Mitglied des europäischen Parlements in Brüssel teilnahm, hatte ich Gelegenheit, diesen Europa-Politiker im Pausengespräch zu befragen. Ich wollte wissen, wie die Europa-Politik diese Sachverhalte einschätzt und wie sie künftig damit umgehen will. In krassem Gegensatz zu der Redegewandtheit meines Gesprächspartners bei anderen Themen erhielt ich hierzu keine Auskunft.

G20-Staaten wollen diese Steuergestaltung jetzt stoppen

Anläßlich des jüngsten Treffens der G20-Staaten stellten Großbritannien und Deutschland einen Plan vor, wie diese Steuervermeidungs-Strategien gestoppt werden können. Damit eröffnet Schäuble gemeinsam mit seinem Kollegen in Großbritannien eine zweite Front im Kampf um höhere Steuereinnahmen. Die erste Front (gegen Privatanleger, die verdächtigt werden, unbesteuerte Vermögen in der Schweiz zu unterhalten) besteht ja schon länger. Allerdings sind die Fische, um die es jetzt geht, bedeutend größer und kampfstärker als die Steuersünder, die Schäuble u.A. in der Schweiz aufspüren will.

Kommentar
Gestern Nacht wurden den Bürgern in Griechenland noch einmal schärfere Lohn- und Rentenkürzungen verordnet. Man mag nun über Ursachen, Versäumnisse, Zusammenhänge und Schuldige in Zusammenhang mit den Entwicklungen in Griechenland lange diskutieren können. Ich würde gerne erfahren, was die Hintergründe sind, dass – am Beispiel Griechenland festgemacht – an einem Ort mit Monat für Monat zunehmenden Druck Sparmaßnahmen durchgesetzt werden (müssen?) und an anderen Orten – von der breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt – Monat für Monat viele Milliarden Euro und USD an den jeweiligen  Steuersystemen vorbeigeschleust werden können. Das gilt für viele Standorte auf dieser Welt, ganz besonders für Geschäftsleute aus  Griechenland.

Auch würde mich interessieren, was die Gründe sind, dass Tausende von Bürgern, die man der Steuerhinterziehung verdächtigt, wie Kriminelle behandelt werden, während gleichzeitig ”Sonderbeauftragte im Auftrag von Staatsregierungen ausschwärmen, um Weltkonzerne dazu zu veranlassen, ihren (steuerlich relevanten) Firmensitz aus dem Land, in dem sie Umsätze und Gewinne erzielen, abzuziehen und in ein anderes Land zu verlegen. 

Kann es vielleicht sein, dass die Elite der politischen Führungen einschließlich der obersten Aufseher über das Funktionieren unserer Finanz-Systeme ein paar Millimeter zu dicht am Geschehen ist? Ein bißchen mehr Abstand könnte zu etwas mehr Übersicht führen, was es – außerhalb von Griechenland – sonstwo in dieser Welt noch zu reparieren gibt. Ein paar Minuten Nachdenken, mit welchen Stellschrauben die größte Wirkung erzielt wird, könnte hilfreich sein, die Prioritäten neu zu ordnen.

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.