Die EZB (Europäische Zentralbank) öffnete Anfang März zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ihre Schleusen und stellte den europäischen Banken nocheinmal über 500 Milliarden Euro zinsgünstige Kredite zur Verfügung. Damit stieg die für nur 1,0 % Zins und mit dreijähriger Laufzeit ausgestattete Darlehensvergabe an die Banken auf über 1.000 Milliarden (1 Billion) Euro. Der neue aus Italien stammende Notenbankpräsident Mario Draghi folgte damit dem Beispiel der FED (Amerikanische Notenbank) unter ihrem Präsidenten Ben Bernanke, der schon seit Jahren außergewöhnlich großzügig Liquidität bereitstellt.
Banken, Politik und überschuldete Staaten profitieren davon
Die Banken profitieren mehrfach von diesem Geldsegen:
- ihr kurzfristiges Finanzierungsrisiko sinkt beträchtlich
- durch den Kauf von Staatsanleihen generieren sie fast risikolos Gewinne: bei einem Zinsertrag von 5 bis 6 % für die Anleihen von überschuldeten Staaten verdienen sie eine weit überdurchschnittliche Zinsmarge von 4 bis 5 %
- mit den daraus entstehenden Gewinnen können sie ihr Eigenkapital stärken und damit leichter die künftig erhöhten Anforderungen an die Eigenkapitalquote erfüllen
Auch die überschuldeten Staaten, die in den letzten Monaten immer wieder Probleme hatten, ihre auslaufenden Anleihen durch neue Anleihen zu refinanzieren, profitieren davon:
- ein hoher Anteil der 1.000 Milliarden Euro, die die EZB an Banken ausgeliehen hat, wurde umgehend zum Kauf von Staatsanleihen verwendet. Damit verschwanden die Refinanzierungsprobleme dieser Staaten von den Titelseiten der Presse.
- die massive Nachfrage nach Staatsanleihen führte auch zu einer Senkung der Zinssätze, die diese überschuldeten Staaten für ihre neuen Anleihen anbieten müssen.
Die europäische Politik erweckt den Eindruck, als sei das Überschuldungsproblem gelöst und die Welt wieder in Ordnung: Hohe Nachfrage nach den neu auszugebenden Anleihen bei gleichzeitig sinkenden Zinssätzen, und das Ganze ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfen. Das System repariert sich selbst. Der Steuerzahler wurde nicht mit noch mehr Rettungspaketen belastet.
Das Problem ist nur verlagert
Die Schulden der über ihre Verhältnisse lebenden Staaten haben sich durch diesen Kreislauf nicht reduziert, sondern nur verlagert. Die Banken nehmen einen Kredit (zu 1 % Zins) bei der EZB auf und kaufen damit Anleihen (mit 5 – 6 % Zinsertrag) von Staaten, die auf dem freien Kapitalmarkt vorher nicht mehr so einfach zu plazieren waren. Diese Anleihen akzeptiert die EZB als Sicherheit für die Kredite, die sie (für 1 % Zins) an die Banken gegeben hat. Was geschieht, wenn die Anleihen bei Fälligkeit in einigen Jahren nicht zurückgezahlt werden können, weil die heute überschuldeten Staaten in 3, 5 oder 10 Jahren immer noch überschuldet sind und niemand neue Anleihen zeichnen will?
Zunächst wäre dies ein Problem für die Banken, die die Rückzahlung der dann fälligen Anleihen nicht erhalten. Zahlreiche Banken würden damit insolvent – es sei denn, die EZB gibt erneut zinsgünstige Kredite (gegen die gleichen fraglichen Sicherheiten) aus, womit der Kreislauf erneut in Gang gesetzt wird. Per Saldo liegt das Risiko des heutigen Kaufs von Anleihen überschuldeter Staaten damit bei der EZB. Wer haftet für die Zahlungsfähigkeit der Europäischen Zentralbank?
Es wird schnell klar, das das Schuldenproblem nur verlagert wurde:
- aus einer direkten Kreditvergabe der Staatengemeinschaft wurde eine indirekte Kreditvergabe zu Lasten der Staatengemeinschaft über den Umweg EZB
- jetzt aktuell fällige Staatsanleihen werden geräuschlos refinanziert und die Frage nach der Zahlungsfähigkeit dieser Staaten damit auf den nächsten Fälligkeitszeitpunkt verschoben
Massive Probleme unserer Altersversorgung zu erwarten
Wir müssen uns auf weiter steigende Belastungen und Beeinträchtigungen unseres Handlungs-Spielraums einstellen
- 1 Billion Euro zusätzliche Liquidität erhöht das Risiko von Inflation. Die Lebenshaltungskosten können stärker als erwartet steigen. Unsere Kaufkraft sinkt.
- Die anhaltende Sorge um die Zahlungsfähigkeit einiger europäischer Staaten führt dazu, dass Investoren schwerpunktmäßig Staatsanleihen von Deutschland nachfragen. Das hält die Zinsen (für deutsche Anleihen!) niedrig und wird damit zum Problem für unsere Altersversorgung. Seit 1. Januar 2012 liegt der garantierte Rechnungszins der deutschen Versicherungswirtschaft bei 1,75 % und damit unter der Inflationsrate. Alle langfristigen Auszahlungen, insbesondere Rentenzahlungen, leiden darunter.
- Auch alle anderen Sozialsysteme, die Vermögensreserven als Grundlage ihrer zukünftigen Leistungen halten, leiden massiv unter den niedrigen Zinsen: alle Pensionsvermögen der Unternehmen, private Krankenversicherungen, Stiftungen, …: die Erträge aus deren Kapitalanlagen liegen deutlich unter den Erwartungen.
- Der Rentenanteil in den Depots verliert an Ertrag. Die Zinserträge reichen nicht einmal aus, den Kaufkraftverlust von Geldvermögen auszugleichen.
Aufteilung der Vermögenswerte muss überdacht werden
Vor dem Hintergrund der abnehmenden Sicherheit von “Geld”- Vermögen und der gleichzeitig fallenden Erträge aus allen zinstragenden Anlagen muss die Aufteilung der Vermögenswerte, die der langfristigen Versorgung dienen sollen, überdacht werden. Mit positivem Vorzeichen stehen auf der Prüfliste:
- Ein breites Sortiment an Aktien von Weltfirmen, die schon jahrzehntelang bestehen. Mit Aktien ist der Investor nicht Besitzer von Geldscheinen oder virtuellen Konten, sondern Miteigentümer an Unternehmen, also realen Sachwerten. Aus einer Vielzahl von Unternehmen können längfristig Erträge und eine Zunahme des Unternehmenswertes erwartet werden.
- Breit gestreutes Immobilieneigentum. Immobilien, insbesondere Zinshäuser, sind die Sachwertanlage schlechthin. Wohnungen (als Beispiel) in marktgängigen Größen und im mittleren und unteren Drittel des Mietspiegels bieten ein hohes Potential an Sicherheit. ”Gewohnt wird immer”, formulierte kürzlich ein Kenner der Immobilienszene, und gängige Wohnungsgrößen lassen langfristig inflationsgeschützte Erträge aus Mieteinnahmen erwarten.
Die traditionell als “sicher” angesehenen Vermögensanlagen müssen kritisch hinterfragt werden. Vermutlich ist in zahlreichen Allokationen eine noch breitere Diversifikation als bisher und eine Verlagerung der Schwerpunkte hin zu sachwertorientierten Vermögensanlagen zu empfehlen.