“In Europas Krisenländern haben junge Erwachsene kaum Chancen auf einen Job”, dokumentierte das Handelsblatt gestern unter der bedeutungsvollen Überschrift “Generation Lost”. In Griechenland verlieren jeden Tag rund 900 Menschen ihre Arbeit, und die Chancen auf eine neue Stelle sind gleich Null. 57,6 Prozent aller jungen Menschen in Griechenland sind ohne Arbeitsstelle und damit ohne Aufgabe, ohne Motivation und ohne Einkommen. In Spanien sind es 55,6 Prozent, in Italien 38,7 Prozent. (Neue Zürcher Zeitung 1.3.2012)
Arbeitsplätze werden von Menschen geschaffen – und auch von Menschen vernichtet
Arbeitsplätze fallen nicht vom Himmel. Arbeitsplätze entstehen, wenn Menschen zusammenwirken, Ideen für gefragte Produkte und Dienstleistungen entwickeln, diese Ideen umsetzen und sodann auf den Markt bringen zu einem Preis, den sich der potentielle Käufer oder Auftraggeber leisten kann. Diese natürliche Entwicklung kann prosperieren, wenn der Staat hierfür einen geeigneten Ordnungsrahmen bereitstellt.
Häufig, allzu häufig funktioniert dies jedoch nicht, wenn Politiker und Funktionäre eher ihren Hunger nach Macht, Einflus und Geld befriedigen wollen als ihre Aufgaben in der jeweiligen Position, für die sie gewählt oder eingesetzt wurden, zu erfüllen.
Welcher Politiker der letzten 20 Jahre fällt Ihnen ein, der sich in Griechenland einen Namen gemacht hätte, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzutreiben? Wir kennen jedoch Dutzende von Vorgängen, die mit Bestechungen, hemmender Bürokratie, nicht eingetriebenen Steuerforderungen bis hin zur gesetzlich geregelten Steuerbefreiung von griechischen Reedern zusammenhängen. Die Fördermittel der Europäischen Union versickerten in Griechenland ohne erkennbare positive Folgen für den Arbeitsmarkt. Lebe heute – zahle später! schien das Motto des Staates zu sein, der von der Gemeinschaft mit vielen Milliarden alimentiert wurde. Der Staat: das sind Menschen, die mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wurden. In wessen Interesse wurden diese Befugnisse genutzt? Offenbar nicht im Interesse der jungen Bürger dieses Landes, die heute in einer schier hoffnungslosen Situation ohne Arbeit, ohne Einkommen und ohne Perspektive auf der Straße stehen.
Welche Entscheidungsträger sind uns im Gedächtnis, die in Spanien die Weichen gestellt hätten, um in diesem Land eine zukunftsträchtige Entwicklung in Gang zu setzen, nachdem durch die Europäische Wirtschaftsunion und sodann auch durch eine gemeinsame Währung alle Handelsbarrieren aus dem Weg geräumt waren? Viel präsenter ist für uns die Immobilienblase, (die auch nicht vom Himmel fiel, sondern von Menschen gemacht wurde – siehe Beitrag vom 31. August 2012), ein häufig nicht nachvollziehbarer, lockerer Umgang mit Bauvorschriften und die Notwendigkeit, spanische Banken mit bis zu 100 Milliarden Euro aus der Europäischen Gemeinschaftskasse zu retten.
Auch die Bürger bevorzugen häufig den vermeintlich leichten Weg
Die Wahl in Italien zeigte gerade vor wenigen Tagen, dass auch die Bürger dazu tendieren, den vermeintlich leichten Weg zu wählen und eher nach einem kurzfristigen persönlichen Vorteil streben als eine langfristig tragfähige Lösung zu unterstützen. Der Denker und Reformer Monti verlor dramatisch an Unterstützung, der populistische Berlusconi fing mit seinen Wahlversprechen (z.B. Abschaffung der Grundsteuer inklusive Rückgabe der unter Monti erhobenen Zahlungen) soviele Stimmen ein, dass gegen seinen Willen nichts mehr entschieden werden kann. Ich zweifle, dass damit der festgefahrene Arbeitsmarkt in Italien mit extrem starker Besitzstandswahrung für die bestehenden Arbeitsverhältnisse aufgebrochen werden kann. Nur wenige Unternehmer werden bereit sein, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wenn sie bei zurückgehenden Umsätzen den Mitarbeiterstamm nur mit ruinösen Abfindungen und langen Prozessen abbauen können.
Ein Beispiel aus Deutschland gibt zu denken
Wenn wir heute als Bürger die Forderung an unsere Politiker stellen, dass sie ein auf nachhaltigen Fortschritt ausgerichtete Politik betreiben, sei an ein Beispiel aus der Amtszeit von Gerhard Schröder erinnert. 2003 veröffentlichte er ein Konzept, das als “Agenda 2010″ in die Geschichte einging. Dieses Konzept verlangte zunächst Opfer von den Bürgern, z.B. in Form von Lohnzurückhaltung bei den Arbeitnehmern. Es ist allerdings unbestritten, dass dieses Konzept wesentlich dazu beitrug, Deutschland in den folgenden 10 Jahren zur führenden Wirtschaftsmacht in Europa zu entwickeln. – Gerhard Schröder wurde noch vor Ende seiner regulären Amtszeit abgewählt.
Bürger und Politiker müssen zusammenwirken
Es hilft nicht weiter, von der politischen Elite Europas zu fordern, dass sie weitsichtig vorausdenken und die notwendigen Maßnahmen in Gang setzen, um die Wirtschaft in den jeweiligen Ländern voranzubringen und die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen, solange wir genau den Menschen, die diesen schwierigen Weg gehen wollen, am Wahltag die Unterstützung verweigern. Beide müssen zusammenwirken: Die Politiker, die ihre Befugnis nutzen, um weitsichtige Entscheidungen zu treffen, und die Bürger, die diesen Politikeren ihre volle Unterstützung gewähren – auch wenn dies zu vorübergehenden Einbußen für die Bürger führen würde.