Mehr Stimulus statt mehr Sparen in der Eurozone?

Geposted von Walter Feil am

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), warnte am Donnerstag dieser Woche vor einem weiteren Abflauen der Konjunktur in der Eurozone. Ein Blick über die Grenzen von Deutschland hinaus macht diese Warnung verständlich: Die Sparmaßnahmen in Griechenland, Spanien und anderen Euro-Ländern haben die Konjunkturentwicklung in diesen Regionen weiter verschlechtert.

Neue Stimulusprogramme zu erwarten

Fest steht: die rigiden Sparmaßnahmen, die als Voraussetzungen für die Finanzhilfen von den problembeladenen Euro-Ländern verlangt wurden, haben dort zu einem weiteren Rückgang der Konjunktur geführt. Deswegen werden die Stimmen, die statt  mehr Sparen eher mehr Stimulierung für die am Boden liegende Wirtschaft der Problem-Länder fordern, immer lauter.

Vor allem vor den am 6. Mai in Griechenland und in Frankreich stattfindenden Wahlen konnten Parteien und Kandidaten, die die Sparprogramme kritisieren und statt dessen massive finanzielle Hilfe für mehr Wachstum fordern, Aufmerksamkeit gewinnen. In Frankreich zeichnet sich zwei Tage vor der Stichwahl zwischen dem amtierenden Präsidenten Sarkozy und dem sozialistischen Herausforderer Hollande ein Stimmenvorteil für Hollande ab, der im Wahlkampf eine massive Förderung des Wirtschaftswachstums auch in Frankreich thematisiert hat.

In diesem Umfeld hat sich auch das Vokabular der deutschen Kanzlerin Angela Merkel verändert. In jüngster Zeit wies sie des öfteren darauf hin, dass Wachstum und Beschäftigung unterstützt werden müssen.

Meine Einschätzung: Wenn Frankreich am Sonntag den sozialistisch geprägten Kandidaten Hollande zum Präsidenten wählt, wird die Diskussion um neue EZB-Mittel zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung an Fahrt gewinnen. Es wird nicht lange dauern, bis Stimulusprogramme für die Wirtschaft aufgelegt werden – zu Lasten einer immer länger werdenden Bilanz der EZB, für die Deutschland nicht alleine haftet, jedoch als stärkster Bonitätsträger in letzter Konsequenz das größte Risiko trägt. 

Weitere Erhöhung der Haftungs-Summen zu erwarten

Die EZB hat in den letzten Monaten bereits mehrfach Unterstützungen gewährt, die in allen Fällen zu einer Erhöhung der zukünftigen Belastungen der Haftungsträger führten und noch weiter führen werden. (siehe auch mein Beitrag vom 29.3. EZB-Milliarden: Schulden für alle durch die Hintertür)

Jede weitere Liquiditätshilfe, die europäischen Staaten und deren Banken gewährt wird, erhöht die Forderungen der EZB an diese Staaten und Banken. Interessanterweise spricht niemand ernsthaft darüber, wie diese Schulden der Staaten und Banken an die EZB jemals wieder zurückgezahlt werden sollen.

Meine Einschätzung: Die ausgegebenen Finanzmittel werden dauerhaft in der Bilanz der EZB stehen bleiben, und dies mit einer starken Tendenz zu laufenden Aufstockungen. Schließlich kann man die Schuldner, an die man schon viele Hundert Milliarden Euro verliehen hat, nicht durch Verweigerung neuer Darlehen insolvent werden lassen. So werden die Schulden der einzelnen Staaten Schritt für Schritt, jedoch mit atemberaubender Geschwindigkeit, zu Schulden, für die via EZB die Gemeinschaft aller Euro-Länder haftet. Jeder, der schon einmal Mitglied einer BGB-Gesellschaft war, kann die weitere Entwicklung vorhersehen: Das größte Risiko trägt am Ende immer das stärkste Mitglied dieses Haftungsverbundes.

Die Börsen werden durch neue Liquidität beflügelt

Am 6.5. wird die Diskussion über die zukünftige politische Grundströmung in Griechenland und Frankreich beendet und durch Fakten ersetzt. Die Börsen in Europa, vor allem in Deutschland, sind vor dem Hintergrund der latenten Unsicherheiten deutlich tiefer bewertet als es die fundamentalen Daten erwarten ließen. Geklärte politische Verhältnisse, fundamentale Unterbewertung und hohe verfügbare Liquidität sind ein Szenario, das in einen stabilen und anhaltenden Hausse-Trend münden kann.

Unsicherheit der Bond-Märkte treibt Investoren in Aktien

Die Unsicherheit der Bond-Märkte und die zu erwartenden Kursverluste, die die derzeit noch im Bestand gehaltenen langfristigen Staatsanleihen (vor allem in Deutschland) bei einer Zins-Steigerung produzieren werden, treiben die Investoren scharenweise in alternative Anlagen. Dazu zählen vor allem Aktien mit Substanz und Immobilien. Im Immobilienmarkt begann der Preisauftrieb bereits in dem Monat, in dem klar wurde, dass Griechenland seine Schulden nie mehr zurückzahlen kann. Im Aktienmarkt steht uns der Preisauftrieb noch bevor.

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Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.