Niedrigzins-Politik der EZB kostet deutsche Sparer bisher 23 Milliarden Euro

Geposted von Holger Lüttke am

Die Niedrigzinspolitik der europäischen Zentralbank beschert den deutschen Anlegern Verluste in Milliardenhöhe. Kreditnehmer wurden vor allem in den anderen Eurostaaten dagegen eher begünstigt. Das erstaunliche dabei ist, dass es der Konjunktur in den Euro-Staaten nicht wirklich geholfen hat.

Die Risikoaversion kostet den deutschen Anleger viel Geld

Die Vorliebe für vermeintlich sichere Geldanlagen kostet den deutschen Anlegern zurzeit viel Geld: Wie eine Studie der Allianz aufzeigt, hat die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) den deutschen Anlegern in den letzten vier Jahren Ertragsverluste von 23 Milliarden Euro eingebracht. Die Privathaushalte in Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien profitierten jedoch beträchtlich von dem zur Verfügung stellen von billigen Geld. Dies sagt Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise am Dienstag bei der Vorlage des «Global Wealth Reports». Den Schuldnern spielen niedrige Zinsen in aller Regel in die Karten, während Gläubiger die Verlierer sind.

Die Deutschen tragen aus Sicht der Experten allerdings auch selbst mit zu der Entwicklung bei. Denn seit dem Beginn der Finanzkrise investieren die Europameister im Sparen immer mehr Geld in vermeintlich sicherere kurzfristige Bankeinlagen, was jedoch kaum Renditen abwirft. Nach Abzug der Inflation bleibt unterm Strich ein Verlust. Währenddessen die Spanier oder Griechen von günstigen Krediten profitieren, bleibt die Schuldenquote in Deutschland niedrig.

Die Niedrigzinspolitik verpufft in Südeuropa, denn obwohl die Bürger dort leichter und billiger an Kredite kommen, konnte sich dies nicht positiv auf die Konjunktur in den Eurostaaten auswirken. Nur wenige Eurostaaten können noch Wachstum verzeichnen. Zudem haben sich auch die Schuldenstände der Staaten erhöht. Durchschnittlich liegt aktuell fast jeder Eurostaat mit seiner Staatsverschuldung höher als noch vor 2008.

Die Aktienkultur in Deutschland ist chronisch unterentwickelt

Die deutschen Anleger meiden nach einer Reihe negativer Erfahrungen, anders als z.B. US-Amerikaner, Aktienanlagen. So liegt die Aktienquote in Deutschland nur noch zwischen 5-7 %, obwohl Aktien in den vergangenen Jahren der Haupttreiber für den Anstieg privater Geldvermögen in aller Welt waren. Laut den Statistiken der Deutschen Bundesbank hat sich der Wert deutscher Aktien gemessen am Leitindex Dax von 1988 bis Ende Mitte 2014 knapp verzehnfacht. Profitieren konnten davon allerdings nur wenige Privathaushalte.

In einer Untersuchung der Allianz kam heraus, dass durch die Niedrigzinspolitik seitens der EZB die Anleger in Deutschland seit 2010 ca. 23 Mrd. Euro an Zinsmindereinnahmen erzielten.

Die Menschen anderer Länder profitierten von der Niedrigzinspolitik, das gilt nach der Analyse der Allianz vor allem für Finnland, Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. In diesen Ländern liegen die Haushalte mit rund 1000 Euro pro Kopf oder mehr im Plus. Insgesamt addieren sich die Einsparungen dort seit Krisenbeginn auf 97 Milliarden Euro. «Die Peripherie ist der große Profiteur der Niedrigzinspolitik», sagt Allianz-Ökonom Arne Holzhausen.

Die schleichende Enteignung der Sparer ist kein Zufall

Diese Auswirkungen der Geldpolitik ist für Heise nicht überraschend. Schlussendlich ist die Entlastung der Schuldner gewollt: «Man sollte jedoch auch nicht die Augen davor verschließen, dass diese Politik erhebliche Nebenwirkungen hat, vor allem auf deutsche Anleger und ihre Altersvorsorge.»

Während die Zinseinsparungen deutscher Kreditnehmer in etwa dieselbe Größenordnung haben wie in den übrigen Euroländern, ist die Vorliebe deutscher Sparer für besonders schwach verzinste Sichteinlagen wie Sparbuch oder Tagesgeldkonto belastend, wie Heise betont. Die Deutschen legten zwar mehr Geld auf die hohe Kante als andere: «Aber kaum jemand bringt auch so viel Geld zur Bank wie wir, obwohl die Bankzinsen deutlich niedriger sind als im Rest Europas.»

Keine Anlageentscheidung zu treffen heißt Geld zu verschenken

Es sieht so aus, als ob der deutsche Anleger noch immer im Krisenmodus denkt und Anlageentscheidungen eher vermeiden möchte. Dabei ist genau das der Fehler, das zinslose Risiko zu suchen. Die Tendenz abzuwarten heißt konkret Geld zu verschenken. Sechs Jahre nach dem Beginn der Finanzkrise ist es also höchste Zeit, wieder langfristig zu denken und im Aktienmarkt zu investieren.

Die Allianz rät den Anlegern in den Aktienmarkt einzusteigen. Hierbei darf man Kursschwankungen nicht mit Risiko gleichsetzen. Wer in den vergangenen 30 Jahren zum Beispiel monatlich 100 Euro in Aktienfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland angelegt habe, könne heute im Schnitt über etwa 121 000 Euro verfügen: «Das entspricht einer Rendite von rund sieben Prozent jährlich.» Auf eine Zinswende können Europas Sparer jedenfalls vorerst nicht hoffen. Die EZB hat den Leitzins gerade erst im September auf das Allzeit-Tief von 0,05 Prozent gesenkt.

 

 

Holger Lüttke ist Direktor Privatkunden der Gies und Heimburger GmbH, Hauptniederlassung Kelkheim und Mitglied des Anlageausschusses.