Russland: 22 Mrd Extra-Steuern für Gazprom?

Geposted von Walter Feil am

Im August 2011 hatte ich Gelegenheit, anläßlich einer dreitägigen Konferenz von JPMorgan in London die Einschätzungen der JPMorgan-Fondsmanager über die besonderen Chancen und Risiken diverser Bond- und Aktienmärkte zu hören. Der für Russland zuständige Fondsmanager wies nachdrücklich darauf hin, dass zahlreiche russische Unternehmen unter einer nicht kalkulierbaren Politik der russischen Machthaber leiden. In vielen Unternehmen in Russland sei nicht durchschaubar, welche Kosten vom tätsächlichen Geschäftsbetrieb veranlasst sind und welche Sonderabgaben und Steuern aus einer willkürlichen Einflussnahme der Politik folgen. Der Fondsmanager und Kenner der Szene investiere deswegen in Russland äußerst vorsichtig und in Unternehmen, die einem starken Einfluss des Staates unterliegen, sehr zurückhaltend.

Sondersteuer für Gazprom in Diskussion

Über die jüngste Willkür der russichen Politik berichtet die ROHSTOFFWELT in einem Beitrag vom 23.3. Der Energie-Gigant Gazprom, dessen Aktie  den mit Abstand größten Anteil am Aktienindex in Russland repräsentiert, könnte die nächsten 5 Jahre mit Steuern von etwa 22 Milliarden USD belastet werden. Der wiedergewählte Präsident Putin will damit angeblich seine teuren Wahlversprechen finanzieren, die unter anderem eine Anhebung von Pensionen und Beamten-Gehältern ankündigten.

15 % Kursverlust in einem Monat

Der Aktie von Gazprom verlor nach Bekanntwerden dieser Absichten von Mitte März bis Mitte April 2012 um 15 % (Weltaktienindex: – 2 %). Auch die Entwickung über ein Jahr (- 23 %) blieb mit 28 % Unterschied unter der Entwicklung des Weltaktienindex (+ 5 %). Diese Erfahrung zeigt wieder einmal, dass die Kursentwicklung von Unternehmen in Russland nicht alleine von der Einschätzung der wirtschaftlichen Chancen dieser Unternehmen abhängt, sondern in zunehmendem Maß von der Einflußnahme der Politik.

Bewertung russischer Aktien erschwert

Die üblichen Bewertungsmethoden lassen den Schluss zu, dass russische Aktien derzeit besonders günstig seien. Jim O’Neill, Chairman von Goldman Sachs Asset Management und Erfinder des Akronyms “BRIC”, welches die rasante Entwicklung von Brasilien, Russland, Indien und China vor 10 Jahren in das Rampenlicht stellte, weist in seinem neuen Buch “Die Märkte von Morgen” darauf hin, dass “die erwarteten Unternehmensgewinne im jeweils folgenden Jahr wegen der Unsicherheit über Russlands Zukunft viel schwerer abzuschätzen sind”. Diese Einschätzung wird durch die unkalkulierbare Einflussnahme der russischen Politik in die Führung und die Steuerbelastung der großen Konzerne nicht erleichtert.

Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.