Nur 0,79 % Zinsertrag bieten die jüngst emittierten Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland mit fünfjähriger Laufzeit. Diese Mini-Zinsen entlasten den Staatshaushalt, führen jedoch zunehmend zu Problemen bei den deutschen Versicherungen, die einen Großteil ihrer Vermögensreserven in Staatsanleihen angelegt haben.
Versicherungen müssen Staatsanleihen kaufen
Auf der Handelsblatt-Jahrestagung “Assekurenz 2012? in Düsseldorf diskutierten die Teilnehmer über die neuen Regeln zur Auswahl von Vermögensanlagen. Solvency II soll die Versicherer dazu bringen, dass sie ihre Risiken besser mit Eigenkapital absichern. Über Vorschriften in Zusammenhang mit der Eigenkapitalunterlegung können die Staaten offensichtlich durch die Hintertür Einfluss auf die Anlage-Entscheidungen der Versicherer nehmen. Immobilienanlagen z.B. müssen mit 25 % Eigenkapital unterlegt werden, Anleihen der Euro-Staaten dagegen nicht.
Bafin verweist auf politische Entscheidungen
Wie das Handelsblatt vom 7.3.2012 berichtet, wird diese Regelung schon seit langem kritisiert. Auf der Assekuranz 2012 wollte sich die Bafin-Exekutivdirektorin Gabriele Hahn jedoch nicht inhaltlich dazu äußern. Stattdessen verwies sie darauf, dass “dies Dinge sind, die auf politischer Ebene entschieden” werden.
Versicherungskunden als Staats-Finanziers?
Die Solvency-II-Regeln sehen vor, das Versicherer für jede Form der Kapitalanlage Eigenkapital vorhalten müssen. Staatsanleihen gelten weiterhin als risikolos und müssen – im Gegensatz zu Anlagen in Immobilien, Aktien und Unternehmensbeteiligungen – nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Da das Eigenkapital der Versicherer nicht beliebig erhöht werden kann, übt diese Einstufung erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Kapitalanlagen von Versicherungen aus.
So schließt sich der Kreis: Versicherungskunden möchten nicht in Staatsanleihen investieren, wenn sie hierfür nur 0,79 Zinsertrag erhalten. Sie zahlen jedoch Beiträge auf ihre Versicherungspolicen ein. Die Versicherer wiederum investieren schwerpunktmäßig in Staatsanleihen. Auf lange Sicht werden die Versicherungskunden damit indirekt zu Staatsfinanziers.
Griechenland-Misere trifft auch Versicherungskunden
Neben anderen Versicherungen hielt auch der Allianz-Konzern (als risikolos eingestufte!) Anleihen diverser Euro-Staaten. Im August 2011 gab der Konzern bekannt, dass er seine griechischen Staatsanleihen von rund 1,3 Milliarden Euro auf fast die Hälfte auf den (damaligen) Marktwert abgeschrieben habe. Der Nettogewinn sei damit um 326 Millionen Euro gesunken, “den Rest müssen die Versicherten tragen”.
Niedrig-Zinsen verschärfen das Problem
Schwerwiegender als der Ausfall der relativ geringen Anlagesummen in griechische Staatsanleihen ist jedoch die anhaltende Entwicklung zu niedrigen Zinserträgen für die Anleihen der noch als “sicher” geltenden Staaten Europas. Jede auslaufende Anleihe aus früheren Zeiten führt zu neuem Anlagebedarf, der heute nur noch mit niedrig verzinsten Anleihen gedeckt werden kann. Dies führte in den letzten Jahren bereits zu einer stufenweisen Reduzierung der Garantieverzinsung, die seit Januar 2012 bei nur noch 1,75 % liegt.
Politisch beeinflusste Konzentration des Anlagemixes auf Staatsanleihen und gleichzeitig extrem niedriger Zinsertrag für das neu anzulegende Kapital sind ein Teufelskreis, der das Renditeproblem der Versicherer Monat für Monat verschärft. Wie soll das Asset-Management der Versicherer die aus früheren Zeiten stammenden Zusagen einer Garantieverzinsung bis über 3,5 % erfüllen, wenn das Zinsniveau der bevorzugt einzusetzenden Staatsanleihen noch längere Zeit so niedrig bleibt?