Wird Frankreich wieder ein Leistungsträger in der Euro-Zone?

Geposted von Walter Feil am

Die Diskussionen anläßlich der Wahl in Frankreich lenkten den Blick verstärkt auf die Entwicklung der Wirtschaftsleistung in diesem Land, das in der Gruppe der Euro-Länder nach Deutschland (18,94 %) den zweitgrößten Anteil (14,22 %) an der EZB hält. Geringfügig höher ist der Anteil von Großbritannien (14,52 %), dann folgt Italien (12,50 %) und Spanien (8,30 %) vor Polen (4,90 %) und den weiteren Ländern.

Die Handelsbilanz weist auf den Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit hin

Die Handelsbilanz bezeichnet den Wert der Warenexporte eines Landes abzüglich dem Wert der Warenimporte. Ein Handelsbilanz-Überschuss dokumentiert, dass die Waren und Dienstleistungen dieses Landes international sehr wettbewerbsfähig sind. Hohe Qualität, technologische Führerschaft und im Vergleich zum internationalen Wettbewerb günstige Preise erhöhen den Exporterfolg. Der Handelsbilanzsaldo von Frankreich entwickelte sich die letzten Jahre allerdings negativ.

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs wurde in den letzten Jahren fortlaufend schlechter. Dies resultiert unter anderem aus den im Vergleich zu Deutschland stärker gestiegenen Arbeitskosten.

 

Welchen Weg wird Hollande einschlagen?

Schon in den Wochen vor der Präsidentschaftwahl befassten sich die Diskussionen mit der Frage, welchen Weg der (damals schon favorisierte) Francois Hollande als neuer Präsident Frankreichs einschlagen würde. Führt er die (einstmals) Grande Nation zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt zurück, mit wieder steigender Wettbewerbsfähigkeit und stärkt er damit die Position der Kernländer der Eurozone?

In einer Zeit wirtschaftlicher Engpässe ist es zwar schön, von einem “Leben wie Gott in Frankreich” zu träumen, genauso wie wir von “La dolce vita” in Italien begeistert sind – nur trägt alleine dies nicht dazu bei, die gegenwärtigen Probleme in der Eurozone zu lösen. Wir sind gespannt, welchen Weg der neue Präsident einschlagen wird und müssen die Entwicklung mit hoher Aufmerksamkeit verfolgen.

Lebenshaltungskosten in Frankreich haben sich erhöht

Ich kann mich noch gut an die 70er-Jahre erinnern: damals war ich zunächst Lehrling, dann Gehilfe in einem Steuerbüro, und meine Kollegen nutzten jede Gelegenheit, zum Essen zu einem der zahlreichen Restaurants im nahen Elsaß zu fahren. Den Franc tauschte man für 0,29 bis 0,33 DM. Da war es sogar mit einem Lehrlings-Salär möglich, sich dieser Schlemmergesellschaft anzuschließen: ein volles Fünf-Gang-Menü im Elsaß war für uns DM-Besitzer günstiger als ein Tellergericht diesseits der Grenze.

In den 80er-Jahren kamen die ersten Elsäßer zu mir mit dem Versuch, ihre Immobilien auch in Deutschland zum Kauf anzubieten. Ein privater Verkäufer wollte für sein 150-qm-Haus mit gepflegtem 700-qm-Grundstück 135.000 DM erlösen. Reihenhäuser diesseits der Grenze mit 108 qm auf zwei Geschossen und 189-qm-Schlauchgrundstücken kosteten damals 290- bis 350.000 DM. Damals fehlte der Weitblick und das grenzüberschreitende internationale Denken, diese Unterschiede entschlossen zu nutzen. Keiner der mir damals bekannten deutschen Immobilienkäufer investierte in Frankreich. Heute bestehen kaum noch Preisunterschiede: Häuser und Grundstücke im Elsass liegen auf ähnlichem Niveau wie vergleichbare Immobilien im angrenzenden Baden diesseits des Rheins.

Franzosen kommen heute zum Essen nach Deutschland

Die Fahrtrichtung der Essens-Touristen hat sich umgekehrt: heute kommen zahlreiche französische Gäste aus dem Elsass über den Rhein in die Ortenau und nach Baden und geben ihre Euros in den hiesigen Restaurants aus. Ein auf Spargel spezialisiertes Restaurant im grenznahen Auenheim bestätigte mir auf Nachfrage, dass der Anteil der französischen Gäste mittlerweile bei über 50 % liegt. Vor drei Jahren nahm ich in diesem Restaurant noch kaum französische Gäste war. Heute empfinden die Franzosen, wir mir die Gastwirtin berichtete, ihre heimischen Restaurants im Vergleich zu ihr als zu teuer. Welch eine Entwicklung seit den 70ern, und dies in zwei Ländern, die direkt benachbart sind und beide hoch entwickelte Industrienationen sind!

Essen in Frankreich ist heute lange nicht mehr so günstig wie früher. Heute kommen die Franzosen aus dem Elsass über den Rhein nach Deutschland und repräsentieren teilweise bereits 50 % der Gäste in den deutschen Restaurants.

 

Frankreich steht vor einem schweren Weg

Zurück zu den zentralen Punkten: wenn Frankreich den Anschluss an das wirtschaftlich prosperierende Deutschland halten und auch künftig eine starke Position im Euro-Gebilde einnehmen will, muss Hollande seine Nation im internationalen Vergleich zu wieder steigender Wettbewerbsfähigkeit führen. Ich drücke dem Präsidenten Frankreichs und allen Bürgern in seinem Land beide Daumen, dass ihm dies gelingt. Da steckt auch ein bißchen Eigennutz mit drin: die Adressen der früher so geschätzten Restaurants im Elsass habe ich immer noch parat.

 

 

 

 

 

 

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Walter Feil ist Leiter der Niederlassung Bühl der Gies & Heimburger GmbH und Leiter des Investment-Research.