Erst Hongkong – dann Taiwan?

Geposted von Andreas Rosner am

Im Sommer 2020 erließ die Regierung in China ein Sicherheitsgesetzt für Hongkong und verstärkte damit den politischen Zugriff auf die Sonderverwaltungszone. Doch scheint der Hunger Chinas nach mehr Macht im Asiatischen Raum noch längst nicht gestillt zu sein.

Die Neue Züricher Zeitung greift am 11.09.2020 dieses Thema auf und schreibt dazu:

„Knöpft sich Peking nach Hongkong jetzt auch Taiwan vor? In Europa und den USA sorgt sich die Politik zunehmend um die Zukunft Taiwans. In der jüngsten Ausgabe der US-Zeitschrift «Foreign Affairs» schreiben Richard Haass und David Sacks von der außenpolitischen Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR) mit Sitz in Washington, die USA müssten ihre Praxis der strategischen Unklarheit im Umgang mit der Inselrepublik aufgeben. Es brauche ein klares Bekenntnis Washingtons, andernfalls drohe Taiwan ein neues Hongkong zu werden.“

Hierzu passt eine aktuelle Meldung von heute Morgen:

Die chinesische Marine hat mit Militärübungen nahe Taiwan begonnen. Sie sollen die Souveränität Chinas sicherstellen, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Derzeit befindet sich US-Wirtschaftsuntersektretär Keith Krach in Taiwan. Er soll heute Präsidentin Tsai Ing-Wen treffen. / Quelle: Guidants News https://news.guidants.com

Inselstaat Taiwan

Der Inselstatt Taiwan, das eigentlich Republik China heißt und ca. 23 Millionen Einwohner hat liegt im Ostchinesischen Meer und somit in der Nähe zum chinesischen Festland. Nach Beendigung des 2. Weltkriegs und der Kapitulation Japans wurde die Insel Taiwan (damals: Formosa) nach fünfzig Jahren japanischer Kolonialherrschaft an  China übergeben.

Kurz darauf brach auf dem chinesischen Festland der Bürgerkrieg aus, in deren Verlauf sich die Regierung und die Armee der Republik Chinas auf die Insel Taiwan zurückzogen, wodurch Taiwan und einige kleinere Inseln anderer Provinzen zum alleinigen Herrschaftsgebiet der Republik China wurden.

Gegen Ende der 1980er Jahre begann in Taiwan unter der Kuomintang-Regierung eine Demokratisierung. Die seit 1948 geltenden Notstandsklauseln wurden aus der Verfassung entfernt und neue Parteien neben der Kuomintang zugelassen. Am 14. Juli 1987 wurde auch der seit 1949 ununterbrochen geltende Ausnahmezustand offiziell beendet. 1992 wurde die Verfassung nach einer freien Parlamentswahl geändert und die Direktwahl statt der bisherigen indirekten Wahl des Präsidenten eingeführt.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war von hohem Wirtschaftswachstum gekennzeichnet und heute ist die Taiwan ein technisch hochentwickelter, demokratisch verfasster Industriestaat.

Soziale Bewegungen kämpfen gegen Zensur und Korruption und für mehr Rechte. 2019 führte Taiwan – gegen viele Widerstände – als erstes asiatische Land sogar die Ehe für alle ein. Und auch wirtschaftlich öffnete und veränderte es sich stark: In Sachen Digitalisierung gilt es mittlerweile weltweit als Vorreiter.

Die Interessen Chinas

Mit einer Entfernung von ca. 100 Kilometer liegt Taiwan sozusagen im Vorgarten der Volksrepublik China und es gibt die zuvor beschriebene historische Verbindung.

Zum Verwechseln lädt auch die offizielle Bezeichnung Taiwans ein, die wie beschrieben, eigentlich Republik China heißt. China hingegen offiziell Volksrepublik China. Hinzu kommt ein immer selbstbewussteres China, sowohl politisch als auch militärisch. Da kommt die als Schwäche empfunden Politik der USA mit den Streitigkeiten im laufenden Wahlkampf gerade recht.

Fazit

Jahrzehntelang hat sich China geduckt, wenn die USA die schützende Hand über Taiwan gehalten haben. Heute hingegen lässt sich Peking nicht mehr so leicht einschüchtern und scheut in letzter Konsequenz vielleicht auch eine militärische Auseinandersetzung nicht unbedingt. Durch eine starke militärische  Aufrüstung Chinas, scheint das Kräfteverhältnis zu kippen. Zu verlockend scheint für Peking die „aktuelle globale Konstellation“ zu sein (Originalton eines chinesischen Generals: …“wenn nicht jetzt, wann dann?…“). Auch wirtschaftlich wäre Taiwan, mittlerweile das Zentrum der globalen Chip-Industrie, ein Objekt der Begierde, um Chinas technoligische Autharkiebemühungen voranzutreiben.

Es bedarf einer scharfen Rhetorik auch von den Verbündeten, wie Japan und Süd-Korea, um die Region nicht noch weiter zu destabilisieren.

 

 

 

Andreas Rosner ist Direktor Privatkunden der Gies und Heimburger GmbH.