We’re out – Fünf Jahre nach dem Brexit-Referendum
Diese und viele andere Überschriften fanden sich in der englischen Presse am Morgen des 24.06.2016. In Großbritannien hatte am Vortag das Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union stattgefunden und wie wir alle wissen, hat sich eine knappe Mehrheit von 51,9 Prozent für einen EU-Austritt entschieden. Die verbliebenen 48,1 Stimmberechtigten Bewohner des vereinten Königreichs schauten ungläubig auf den „Morgen danach“.
Annette Dittert, Korrespondentin der ARD, schildert Ihre Wahrnehmung wie folgt: „Am Morgen nach dem Referendum war ich im Zug von Edinburgh nach London. Das Abteil war voller Menschen, alle seltsam ruhig; man spürte eine gewisse Schockstarre. In den Wochen danach änderte sich dann das Lebensgefühl auf der Insel. Für mich war das oft so, als ob plötzlich ein dunkler Schatten über dem Land liege. Man spürte die Teilung des Landes, die Wut und den Ärger der „Remainers“, die für den EU-Verbleib gestimmt hatten. Der Triumph der anderen, die aber noch gar nicht wirklich wussten, was sie mit diesem Brexit nun anfangen sollten, war leiser, aber für viele „Remainers“ dennoch schwer zu ertragen. Familien begannen sich zu zerstreiten, einige meiner Nachbarn sprechen bis heute kaum mehr miteinander, und ich habe auch selbst einige Freunde verloren. Es war einfach über Nacht alles anders.
Und Europa verfiel in eine Art Schockstarre, die bis heute in vielen Teile anhält. Nach unzähligen, nervenaufreibenden Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU erfolgte der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs, oft als Brexit bezeichnet, am 31. Januar 2020. Seit dem 1. Mai 2021 ist der Partnerschaftsvertrag mit der EU endgültig in Kraft.
Ganze Industriezweige kämpfen ums Überleben
Da das Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien mitten in der Coronavirus-Pandemie in Kraft trat, lassen sich die Auswirkungen auf die Realwirtschaft noch nicht in Gänze einordnen. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass es in vielen Branchen zu erheblichen Einbußen kommen wird. Exemplarisch die Situation in der englischen Fischerei. Gerade die Fischer wurden vor dem Brexit heftig umworben: dass sie dann mehr fischen könnten, weil sie nicht mehr die Gewässer mit den EU-Fischern teilen müssten. Nicht gesagt wurde ihnen, dass sie ihren Fisch dann nicht mehr verkaufen können, da die Exporte in die EU durch aufwändige Bürokratie beim Zoll jetzt für sie kaum mehr möglich sind. Die britische Regierung lässt die britischen Fischer bislang weitestgehend allein damit – und viele werden das nicht überleben. Auch der Arbeitsmarkt wird sich grundlegend verändern, da für ein Beschäftigungsverhältnis mit einem EU-Bürger ein Visum beantragt werden muss. Auch hier drohen viel Bürokratie und hohe Kosten. Auch umgekehrt ist es für die Briten schwieriger, von hier aus noch für längere Zeit auf den europäischen Kontinent zu reisen oder dort zu studieren was gerade die jüngere Generation betrifft.
Und bereits jetzt haben britische Unternehmen begonnen, Teile der Produktion auf das europäische Festland zu verlagern, darunter auch einige Lebensmittelproduzenten und Pharmaunternehmen.
Bleiben Sie gesund, halten Sie bitte weiterhin Abstand und genießen Sie das Wochenende.
Andreas Rosner und das gesamte Team von Gies & Heimburger