Auf ihrer auswärtigen Ratssitzung in Bratislava hat die Europäische Zentralbank gestern die Leitzinsen um 25 Basispunkte von 0,75 auf 0,5 Prozent gesenkt. Der Spitzenrefinanzierungssatz wurde um 50 Basispunkte auf 1 Prozent gesenkt. Der Einlagensatz blieb unverändert bei 0 Prozent, womit bewusst auf die umstrittene Wirkung negativer Zinsen verzichtet wurde.
Schwache Konjunkturdaten als Begründung
Die Notenbank begründete ihren Schritt mit den weiterhin schwachen Konjunkturdaten im Euroland und der auf 1,2% gesunkenen Inflationsrate. Bei den Wachstumsperspektiven geht die EZB weiter davon aus, dass erst im zweiten Halbjahr eine allmähliche Erholung der Konjunktur eintreten wird. Allerdings steht diese Prognose weiterhin unter dem Risiko einer Revision nach unten.
EZB Chef Mario Draghi machte auf der gestrigen Pressekonferenz in der Slowakei deutlich, dass die Tür für weitere Zinsschritte offen steht: „Wir prüfen alle neuen Konjunkturdaten sorgfältig und stehen bereit zu handeln, falls es notwendig ist.“
Die Grenzen der Geldpolitik
Die Notenbank steht vor dem Dilemma, dass ihre geldpolitischen Lockerungen kaum zu günstigeren Finanzierungsbedingungen in der Wirtschaft führen. Die zurückhaltende Kreditvergabe gerade der Banken in den südlichen Krisenregionen verhindert, dass Liquidität und günstige Zinsen bei mittelständischen Unternehmen in Italien, Spanien und Griechenland ankommen. Hier möchte die EZB gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank tätig werden, um eine Ankurbelung der Kreditvergabe für kleinere und mittlere Unternehmen zu erreichen. Die Beratungen dazu stehen aber noch ganz am Anfang.
Fazit:
Die EZB hat einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie sich mit aller Macht gegen die Krise stemmt. Auch wenn die aktuelle Zinssenkung in ihrer Wirkung begrenzt sein dürfte, zeigt die Zentralbank, dass sie weiterhin handlungsfähig ist und auch noch weitere Pfeile im Köcher hat. Allerdings kann die EZB nicht die Grundprobleme des Euroraums mit ihrer lockeren Geldpolitik lösen. Dazu sind Strukturreformen in vielen Ländern notwendig, um den Mangel an Wettbewerbsfähigkeit zu beheben.