Die Europäische Zentralbank senkte gestern den Leitzins entgegen den vorher geäußerten Erwartungen der Finanzmärkte auf das Rekordtief von 0,25 Prozent. Die im Oktober auf 0,7 Prozent gesunkene Inflationsrate und die Erwartung einer „längeren Periode von niedriger Inflation“ war der Hauptgrund für diesen Zinsschritt.
Was nun, Herr Draghi?
So lautet die heutige Überschrift des Handelsblatt zur gestrigen Zinsentscheidung der Frankfurter Währungshüter. Und nicht nur das Handelsblatt stellt diese Frage. Auch namhafte Ökonomen wie der Chef des Münchener ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sehen die Geldpolitik nun an ihren Grenzen angekommen. Mario Draghi jedenfalls ist seinem Ruf als Mann der Tat einmal mehr gerecht geworden. Geldpolitisches Zaudern ist sein Ding nicht. Die aktuell sehr geringe Preissteigerung und die Perspektive, dass diese Situation länger anhalten könnte, gaben wohl den Ausschlag für die EZB.
Es gibt bereits erste Mahnungen, dass ein zunehmend deflationäres Umfeld die Notenbank vor Herausforderungen stellt. Draghi machte deutlich, dass der Werkzeugkasten der Zentralbank noch genügend wirksame Tools enthält, um eine aktive Geldpolitik zu betreiben.
Der DAX kurzfristig auf Rekordhoch – der Euro verliert kräftig
Der deutsche Aktienindex DAX stieg gestern zeitweise um mehr als 1 Prozent und erzielte bei 9.193 Punkten ein neues Rekordhoch. Nach Gewinnmitnahmen im gestrigen Tagesverlauf lag der Index zum Handelsschluss bei 9.081 Zählern.
Der Euro, der bereits in den Tagen vor dem EZB-Meeting schwächer tendierte, gab binnen weniger Minuten von 1,35 auf knapp über 1,33 nach.
FAZIT:
Die gestrige Zinssenkung war für die Märkte eine Überraschung. Offensichtlich haben die Ratsmitglieder aus den Südländern vehement auf den Zinsschritt gedrängt. Die Kommentare der Ökonomen sind durchaus geteilt, denn für die Realwirtschaft hat diese Entwicklung kaum eine Bewandtnis. Für mich geht der sorgenvolle Blick in die Zukunft, verbunden mit der Frage, wie eine Normalisierung des Zinsniveaus irgendwann wieder (ohne Marktverwerfungen) erreicht werden kann.