Hand aufs Herz, kenne Sie Jose De Gregorio oder Lee Ju Yeol? Ich jedenfalls kannte die Namen nicht gleichwohl aber die Funktion, in der Sie tätig sind. Sie haben den gleichen Job wie Jerome Powell oder Christine Lagarde, sie sind die Chefs der Notenbanken ihres Landes. Erstgenannter von Chile und letztgenannter von Südkorea. Allerdings laufen die Entscheidungen dieser Notenbankchefs eher unter dem Radar der Finanzwelt und sind nicht so prominent beachtet, wie die der FED oder der EZB.
Schwellenländer mit Zinserhöhungspotential
Nur wenige Wörter sind an den Finanzmärkten weltweit gefürchtet. Der Ausdruck „Tapern“ gehört zweifelsohne dazu. Er umschreibt das Zurückfahren von Anleihekäufen (Quantitative Easing) durch die Notenbanken. In Ländern wie Brasilien, Indien oder Indonesien weckt das sehr unangenehme Erinnerungen, gerieten diese Länder besonders unter Druck als die US-Notenbank im Jahr 2013 ein solches Tapering angekündigt hatte. In diesem Zusammenhang fällt auch oft der Begriff „Taper Tantrum“, eine Art Wutanfall der Märkte. Und die Sorgen sind durchaus berechtigt, zumal Jerome Powell, Chef der US-Notenbank FED, auf der letzten Sitzung am 16.06.2021 frühere Zinserhöhungen in den Raum gestellt hat. Auch wenn Powell verdeutlichte, dass die FED keine abrupten Schritte einleiten wird und diese frühzeitig avisieren werde, sind die Märkte alarmiert und das nicht nur in den sog. Schwellenländern.
Sehr differenzierte Betrachtung notwendig
Eine über dem Ziel liegende Inflationsrate und wachsende inländische fiskalische Risiken sorgen bei immer mehr Notenbanken für Zinsdruck. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht, wie sich die Situation in den jeweiligen Schwellenländern aktuell darstellt.
Die horizontale Achse zeigt die Inflationsgefahr, d.h. das Risiko einer über dem Zielwert liegenden Inflation und die vertikale Achse die externen Risiken, die nach Einschätzung von Capital Economics die Anfälligkeit der Länder für externe Schocks und die Wahrscheinlichkeit, dass die Zentralbanken darauf reagiert, kombiniert. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt haben die Notenbanken von Mexico, Brasilien und Ungarn mit Zinserhöhungen reagiert.
Fazit
Die Zeiten des langanhaltenden Zinsrückgangs scheinen sich auf der Zielgeraden zu befinden. Aktuell läuft der Wirtschaftsmotor in vielen Regionen der Erde mit hohem Tempo. Abzulesen ist das in den gestiegenen Inflationsraten, nicht nur in Europa und den USA. Es bleibt daher spannend zu beobachten, wann auch die Kapitalmärkte darauf reagieren. Denn noch schöpfen sie ihre Kraft aus dem großen Topf der Liquidität und den steigenden Wirtschaftszahlen. Wir werden die Entwicklung, wie Sie es gewohnt sind, intensiv verfolgen und unsere Anlage Strategien daran anpassen.