Die Zinsen bleiben unten
Am Mittwoch haben sich im Rahmen ihres turnusmäßigen Treffens die US-Notenbanker nochmals zur Geldpolitik eingelassen. Dabei verzichtete man erstmals auf jede Geheimniskrämerei und garantierte dem Kapitalmarkt, den gegenwärtigen Leitzins von Null langjährig – zumindest bis Ende 2023 – beizubehalten. Die Fed wird dabei auch zumindest vorübergehend Inflationsraten oberhalb der bisher starren Inflationsgrenze von 2% akzeptieren.
Das war nicht der ganz große Wurf der Fed. Am Aktienmarkt hatte man doch auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik gehofft. So hofften die Börsianer, dass die Notenbanker nächstens ihre Anleihenkäufe nochmals ausweiten und künftig auch im Junk-Bereich (Anleihen mittlerer und schlechter Qualität) einkaufen werden. Diese Phantasie ist nach der gestrigen Notenbank-Sitzung erst einmal vom Tisch.
Trotzdem hatten die Währungshüter rund um Jerome Powell auch positive Nachrichten für uns. Mittlerweile wissen wir, die Pandemie hat sich nicht so zerstörerisch auf die US-Volkswirtschaft ausgewirkt wie zuvor befürchtet. So rechnen die Analysten der Fed nun damit, dass die Arbeitslosenrate in den USA Ende des Jahres zwischen 7- 8% liegen wird, aktuell liegt diese bei 8,4%. Zuvor war man noch von einer Rate in der Spanne zwischen 9-10% ausgegangen.
Vor diesem Hintergrund sah der Offenmarktausschuss – das oberste Gremium der Fed – keine Notwendigkeit, kurzfristig weitere Mittel in den Markt zu pumpen. Folglich schwächelten die Aktienmärkte rund um den Globus zum Wochenausklang.
Warum ist eigentlich die Geldpolitik der Fed, aber auch der EZB so immens wichtig für uns als Anleger und warum reagieren die Märkte jedes Mal nahezu prompt auf die Einlassungen der Geldpolitiker?
Hierzu einige Hintergrund-Informationen: Die Geldpolitik bestimmt vereinfacht gesprochen, wieviel Geld die Wirtschaftssubjekte wie Unternehmen, Verbraucher und auch Investoren in der Tasche haben. Und je lockerer oder expansiver eine Geldpolitik, desto mehr Kapital befindet sich im Wirtschaftskreislauf. Mehr Geld im Wirtschaftskreislauf führt letztlich zu steigenden Aktienkursen.
Damit ist die Geldpolitik neben der fundamentalen Entwicklung in den Unternehmen der große und entscheidende Faktor für die Aktienmärkte. Ich behaupte, dass die Börsenhausse der vergangenen Jahre ganz wesentlich auf der lockeren Geldpolitik der Notenbanken beruht. Diese Geldpolitik ist auch kein Phänomen nur der Fed oder EZB. Bis auf ganz wenige Ausnahmen – wie etwa Australien – liegen die Leitzinsen in den entwickelten Ländern bei oder sogar unter null.
Wie lange geht das noch gut?
Diese Frage ist legitim: Wie lange wird dieses System der Nullzinsen noch tragen? Ist das wirklich nachhaltig oder steht am Ende der Reise wieder einmal der Kollaps der Währungen?
Das System wird solange funktionieren, wie die Inflationsraten niedrig bleiben. Sollten diese einmal spürbar anziehen, werden die Notenbanken gegensteuern, wenn sie nicht das Ende unseres Währungssystems riskieren wollen.
Und dann werden die Notenbanken Kapital aus dem Markt herausnehmen bzw. kein frisches mehr nachschießen. In diesem Szenario wird es dann an der Börse ungemütlich für uns. Diese Perspektive ist derzeit allerdings nicht wirklich konkret, wie die gestrigen Statements der Fed gezeigt haben.
Fazit: Ich behaupte nicht, dass wir in den nächsten Jahren nie wieder eine Korrektur des Aktienmarktes erleben werden, weil die Notenbanken alle entstehenden Probleme rechtzeitig mit frischem Notenbankgeld zuschütten werden. Trotzdem: Ein echter Bärenmarkt – also langfristig sinkende Kurse – sind bei der üppigen Kapitalausstattung des Aktienmarktes nicht in Sichtweite.
Genießen Sie den schönen Spätsommer und bleiben Sie gesund!
Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger