Der Taiwankonflikt
Es bedarf keiner großen Erklärung. Ein Krieg um den asiatischen Inselstaat wäre vor allem eine humanitäre Katastrophe, aber für die Weltwirtschaft auch ein wirtschaftliches Desaster, wie wir es mutmaßlich seit 1945 nicht mehr erlebt haben. Die Zahlen sprechen für sich:
Durch die Meerenge zwischen China und Taiwan werden rund ein Drittel des maritimen Welthandels abgewickelt. Das ist der Zugang Europas zu den asiatischen Starkmärkten wie Südkorea, Japan und natürlich China selbst. Wenn über der Taiwanstraße die Kanonen donnern, kollabiert Europas Export und Import. Wenn dann schließlich Soldaten der chinesischen Befreiungsarmee über die Insel laufen, gehen im Silicon Valley die Lichter aus. Denn Taiwan steht für 66 % der internationalen Chipproduktion.
Im Berliner Wirtschaftsministerium prognostiziert man, Stand heute, ein solches Szenario für die Jahre 2026 und 2027. Ein hochrangiger US-General sieht sein Land schon in zwei Jahren im Krieg mit Peking. Folglich starten die USA nun die Hochrüstung für den Inselstaat. Auch die Diplomatie läuft zur Hochform auf.
Jetzt heißt es: Reihen schließen und Verbündete sammeln. So besuchte NATO-Chef Jens Stoltenberg unlängst Südkorea und Japan. Thema des Gesprächs: Nicht nur Ukraine, sondern ganz wesentlich auch Taiwan. Gleichzeitig umgarnt US-Präsident die ASEAN-Staaten wie Indonesien, Vietnam oder Thailand. Man will nicht nur wirtschaftliche Zusammenarbeit, sondern ebenfalls sicherheitspolitische. Anders geschrieben: Wenn die Kanonen sprechen, sollen sich Regionalmächte wie Vietnam oder Indonesien nicht auf die Seite Pekings schlagen.
Ist ein Taiwan-Krieg plus neue Weltwirtschaftskrise also unvermeidbar? Nein, ich sehe keine Automatismen. Politik wiederholt sich nicht eins zu eins. Taiwan ist nicht die Ukraine.
Es wird auf beiden Seiten optimistisch investiert
Ich mache das Nachrichtenbild komplett: Im vergangenen November investierte etwa Berkshire Hathaway (Warren Buffett) unmittelbar in Taiwan. Die Holding kaufte Aktien des marktführenden Chip-Produzenten Taiwan Semiconductor Manufacturing für rund 4 Milliarden USD. Eine solche Maßnahme hat keinen Sinn, wenn man nächstens mit einem Krieg in der Region rechnet.
Gleichzeitig lassen einige Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland aufhorchen. So fährt CATL (Amperex) eine Großserienproduktion für Batteriezellen im thüringischen Arnstadt an. Hier sollen Ende des Jahres 2.000 Mitarbeiter/innen an sechs Produktionslinien Batteriezellen für bis zu 350.000 E-Fahrzeuge produzieren. Damit eröffnen die Chinesen faktisch den nächsten Batterie-Boom, der nun in Europa und Nordamerika startet. Insgesamt sollen die Chinesen 1,8 Mrd. Euro am Standort Arnstadt investiert haben. Das wird man kaum machen, wenn man mit einem Krieg um Taiwan rechnet. Gleichzeitig hat der chinesische Autobauer BYD zur Jahreswende seinen Markteintritt in Deutschland bzw. nachgelagert im Rest Europas gestartet. In Köln kann man schon die ersten Pkws aus chinesischer Produktion in einem Showroom bewundern. Insgesamt plant BYD hierzulande ein dichtes Vertriebsnetz mit rund 100 Fremdpartnern.
Das Unternehmen BYD kann durchaus als staatsnah gelten. Der Autobauer wurde mit reichlich Staatsgeldern angefüttert. Gründer und Vorstandschef Wang Chuanfu hat in der Vergangenheit diverse Parteiämter bekleidet und soll über einen guten Draht in die obersten Machtzirkel verfügen. Offenbar weiß Wang nichts von einem bevorstehenden Taiwan-Krieg. Denn er muss damit rechnen, dass die europäischen BYD-Aktivitäten im Kriegsfall zeitnah durch die EU zerschlagen werden. CATL darf selbstverständlich ebenfalls mit entsprechenden Sanktionen rechnen.
Zur Vermeidung von Missverständnissen: Natürlich sehe ich Restrisiken für einen Waffengang in der Region. Eine China-Aktie weist für uns eine ganz andere „Risikostruktur“ auf als etwa ein Investment in der Schweiz oder in den USA. Trotzdem halte ich die gegenwärtigen Kriegsängste rund um Taiwan für übertrieben.
Wir wünschen Ihnen ein interessantes Wochenende!
Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger