Zehn Jahre Agenda 2010

Geposted von Hans Heimburger am

Am 14. März 2003 kündigte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Deutschen Bundestag weitreichende Reformen an: die Agenda 2010 wurde aus der Taufe gehoben.

Gerhard Schröders große Reform wurde eine Erfolgsgeschichte

Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen“, sagte Gerhard Schröder vor zehn Jahren im deutschen Parlament und leitete damit wegweisende Reformen ein. Diese Veränderungen waren bitter notwendig. Deutschland hatte seinerzeit den Anschluss in den Disziplinen Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Europa und der Welt verloren. Die renommierte britische Wochenzeitschrift „The Economist“ titelte damals „Deutschland – der kranke Mann Europas“. Die notorische deutsche Wachstumsschwäche zu Beginn des neuen Jahrtausends trieb zwei Kennziffern immer weiter in die Höhe: die Arbeitslosigkeit und das Haushaltsdefizit.

Mehrere Jahre lang hatte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bemüht, zusammen mit Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden ein „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ zu schmieden. Doch auf dem Konsenswege konnte keine Einigung erzielt werden; zu unterschiedlich waren die Positionen und zu gering die Bereitschaft, zum Nutzen der Bundesrepublik Kompromisse einzugehen. Dann wandte sich Schröder an jenem 14. März mit einer Rede an den Bundestag, die Fakten schuf.

Die wichtigsten Eckpunkte der Agenda 2010

Hartz IV:
Die Reformierung der Arbeitlosen- und Sozialhilfe, die unter dem Kürzell Hartz IV umgesetzt wurde, war das Kernstück der Agenda 2010. Praktisch wurden Millionen von Arbeitslosenhilfeempfängern zu Sozialfällen herabgestuft. Wer nicht arbeiten will, wird sanktioniert. Die Gewerkschaften liefen Sturm und die Menschen gingen auf die Straße. Allerdings zeigte diese Maßnahme über die Jahre eine erhebliche Wirkung: die Arbeitslosenzahl ging seit der Einführung von rund 5,3 Millionen auf unter drei Millionen zurück.

Arbeitslosengeld:
„Wir werden das Arbeitslosengeld für die unter 55-Jährigen auf zwölf und für die über 55-Jährigen auf 18 Monate (davor bis zu 32 Monate) begrenzen„.  Auch diese unpopuläre Maßnahme zeigte unbestritten ihre Wirkung, wie der oben genannte Rückgang der Arbeitslosenzahl belegt.

Steuern:
Die Agenda 2010 zog die dritte und letzte Stufe der bereits in 2000 beschlossenen Steuerreform vor. Der Eingangssteuersatz wurde von 22,9 auf 15 Prozent, der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt.

Tarifparteien:
Ich erwarte also, dass sich die Tarifparteien entlang dessen, was es bereits gibt, auf betriebliche Bündnisse einigen. Geschieht das nicht, wird der Gesetzgeber zu handeln haben.“  Diese Drohung des Kanzlers veranlasste die Tarifparteien, das „Pforzheimer Abkommen“ zu vereinbaren. Hierin wurde festgeschrieben, dass Betriebe zur Beschäftigungssicherung von den Mindeststandards des Flächentarifs abweichen dürfen. Auch der Ausbildungspakt (Schaffung von mehr Lehrstellen in den Betrieben) der Wirschaft mit der Regierung fußte auf diesre Initiative von Schröder.

Führende Ökonomen sind sich einig: Hartz-Reformen, Sozial-Abbau und Steuersenkungen brachten unser Land auf Wachstumskurs und läuteten ein Job-Wunder ein. Aus dem „kranken Mann Europas“ ist längst wieder die Wachstumslokomotive des alten Kontinents geworden. Gerhard Schröder hat für seine mutigen und wegweisenden Reformen politisch einen hohen Preis bezahlt: er wurde in der vorgezogenen Bundestagswahl am 18. September 2005 abgewählt.

Neue Reformen braucht das Land

Stillstand ist bekanntlich mit Rückschritt gleichzusetzen. Und in einigen Bereichen scheint der tatsächliche Rückwärtsgang bereits wieder eingelegt zu sein. Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder Einführung von Mindestlöhnen, um nur einige Beispiele zu nennen, belegen, das strengere Regulierungen aktuell eher auf der politischen Agenda stehen als Liberalisierungen. Die Gefahr, dass wir uns aktuell zu sehr auf den wirtschaftlichen Erfolgen der Vergangenheit, die durch die Agenda 2010 zumindest mitverursacht wurden ausruhen, ist nicht zu unterschätzen.

Agenda 2010 – die richtige Blaupause für Europa

Viele unserer südlichen Nachbarländer in Europa (präziser formuliert: die Menschen in diesen Ländern) zahlen heute einen hohen Preis dafür, dass ähnliche Reformwerke dort nicht oder völlig unzureichend in Angriff genommen wurden. Arbeitslosenquoten jenseits der 20 Prozent in Griechenland, Spanien und Portugal und eine nicht minder traurige Arbeitslosenrate von über 10 Prozent in Frankreich machen deutlich, wie groß die Reformerfordernisse allenthalben sind.

Fazit:
Zehn Jahre nach dem Anstoßen umfassender Reformen durch Gerhard Schröder ist unbestritten, dass Deutschland seit einigen Jahren die Früchte der Agenda 2010 ernten kann. Auch heute müssen unpopuläre Entscheidungen getroffen, Maßnahmen ergriffen und Beschlüsse durchgezogen werden, um unser Land wettbewerbsfähig zu halten. Reformen sind keine einmalige Angelegenheit. Wir müssen den Begriff „Reformprozess“ als fortwährende Optimierung unserer gesamten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen begreifen.

 

 

 

 

Hans Heimburger ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Gies und Heimburger GmbH und der CIO (Chief Investment Officer) für die 3ik-Strategiefonds.