Gestern hatte ich in Lübeck im Rahmen einer Veranstaltung der HANSAINVEST (unsere Kapitalanlagegesellschaft für die 3ik-Strategiefonds) die Gelegenheit einen Vortrag des früheren Finanzministers, Dr. Theo Waigel, zu hören. Waigel gilt als der „Namensschöpfer“ des Begriffes Euro für unsere Währung und man kann ihn unzweifelhaft in die vorderste Reihe der Väter der Gemeinschaftswährung eingruppieren. Er schilderte in seinem Vortrag in bemerkenswerter Art und Weise viele Details über den steinigen Weg zur Etablierung des Euros und warum aus seiner politischen und ökonomischen Sicht die Gemeinschaftswährung unter allen Umständen verteidigt werden muss. Gleichzeitig ließ er viele aktuelle Gedanken aus seinem reichen Erfahrungsschatz im Vorfeld der Bundestagswahl einfließen.
Deutschland hat sich große Anerkennung in Europa erarbeitet
Dr. Waigel sieht bei unseren europäischen Partnern einen klaren Wunsch nach „deutscher Führung und Verantwortung“ . Offensichtlich hat eine unaufgeregte und am Ende umsichtige deutsche Politik (das sehe ich persönlich als großen Verdienst von Angela Merkel) dazu geführt, dass alte Ängste vor dem Hegemon Deutschland mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Man spricht von einer neuen Läßigkeit der Deutschen, ohne dass sie ihre Verlässlichkeit eingebüßt haben. Wir profitieren von den jahrelangen sehr verantwortlichem Verhalten der Tarifpartner, die zu einem großen Wettbewerbsvorteil der Bundesrepublik im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn beigetragen haben. Weiterhin hob Waigel die wichtige Bedeutung der Agenda 2010 hervor, ein Reformwerk, das entscheidende Weichenstellungen vorgenommen hat. Allerdings mahnte er hier eine Fortsetzung der Reformbereitschaft an und meinte, dass unserem Land eine Agenda 2020 gut zu Gesichte stehen würde. Internationale Investoren haben in den zurückliegenden Jahren erhebliche Investitionen in Deutschland getätigt, weil sie die Rechtssicherheit, Verläßlichkeit und das hohen Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer schätzen.
Ein Auseinanderbrechen des Euro ist keine Option
Herr Dr. Waigel verdeutlichte eindringlich, dass ein Auseinanderbrechen des Euro vor allem für Deutschland enorme wirtschaftliche Nachteile bedeuten würde. Eine starke Aufwertung der „deutschen Währung“ (wieder D-Mark) wäre unausweichlich. Unter globalen Gesichtspunkten kann niemand eine Vielzahl unbedeutender schwacher Einzelwährungen in Europa wollen. Auch eine Teilung des Euro in einen „Nord- und Südeuro“ kann nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Wir können den Spaniern oder Portugiesen nicht den Stuhl vor die Tür stellen, aber gleichzeitig erwarten, dass sie weiterhin unsere Exportwaren kaufen. Griechenland hat erhebliche Konsolidierungsanstrengungen unternommen, auch wenn erst ca. die Hälfte des „Marathonlaufes“ bewältigt ist. Und die zweiten rund 21 Kilometer sind keinesfalls leichter als die erste Wegstrecke.
Dr. Waigel appellierte auch eindringlich an die Bedeutung des Euros zur „Friedenserhaltung“ in Europa, ein Thema, das allzu gerne vergessen wird. Ein Blick auf unsere Euromünzen zeigt, dass eine Seite nationalstaatlich geprägt ist, die andere Seite aber das gemeinsame Europa repräsentiert.
Deutschland vor der Bundestagswahl am 22. September
Selbstverständlich wurde auch die aktuelle Situation kurz vor dem Urnengang in Deutschland beleuchtet. Dr. Waigel warnte davor die aktuellen Umfragewerte, die auf eine Fortsetzung der jetzigen Regierungskonstellation schließen lassen, für bare Münze zu nehmen. Seit etwa 10 Jahren hat die Volatilität der Umfrageergebnisse sehr stark zugenommen. Die Kapitalmärkte würden eine Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition favorisieren. Auch eine große Koalition würde aus der Sicht von Dr. Waigel die Kapitalmärkte nicht erschrecken. Eine Konstellation Rot-Rot-Grün würde mit Sicherheit für erhebliche Verunsicherung am deutschen Aktienmarkt sorgen.
Fazit:
Dr. Theo Waigel hat einen tiefen Einblick in seinen Fundus an politischer Erfahrung und Kenntnis der Zusammenhänge gegeben. Man tut meines Erachtens gut daran, solche auch historisch geprägten An- und Einsichten zur eigenen Meinungsfindung heranzuziehen.
Hans Heimburger im Gespräch mit Dr. Theo Waigel anlässlich einer Veranstaltung in Lübeck am 12.09.2013