Keine andere Branche litt so sehr unter dem US-Wahlkampf um das Präsidentenamt wie der Gesundheitssektor. Insbesondere Hillary Clinton schoss in ihrer Kampagne mit schwerem Geschütz auf die Branche im Allgemeinen und auch auf einzelne Unternehmen. Es wäre allerdings zu einseitig, die drastischen Kursrückgänge bis zur Wahl nur der Polemik im Wahlkampf zuzuordnen.
Thilo Rohrhirsch, Manager des ACEVO Global Healthcare Absolute Return UI Fonds, gibt im aktuellen Monatsbericht eine detaillierte Antwort auf die eingangs formulierte Frage.
Was bedeutet nun Donald Trump für den Healthcare-Sektor?
Diese Frage hat der Markt mit starken Kurssprüngen für die Healthcare-Aktien – insbesondere für die Biotech-, Specialty Pharma & Generics- sowie BigPharma-Werte – bereits „positiv“ beantwortet.
Tatsächlich ist diese Frage jedoch nicht so leicht zu beantworten, da Trump im Rahmen seines Wahlkampfs keine konkrete Healthcare-Agenda hatte wie Hillary Clinton. Außerdem hat er im Wahlkampf gezeigt, dass er unberechenbar ist, weshalb keiner wirklich sagen kann, welche Ideen ihm künftig noch in den Sinn kommen. Deshalb wollen wir die Frage, was Trump für den Healthcare-Sektor bedeutet, an dieser Stelle nicht einfach wie viele Broker mit der simplen Antwort „durchweg positiv“ beantworten, sondern einer differenzierteren Betrachtung unterziehen. Vorweg wollen wir jedoch betonen, dass Trump aufgrund der Gewaltenteilung nicht einfach seine eigenen Ideen ohne die Zustimmung des Kongresses durchsetzen kann.
Die Werte der republikanischen Partei werden im Vordergrund stehen
Zwar haben die Republikaner die Mehrheit im Senat und Abgeordnetenhaus, womit es Trump sicherlich leichter haben wird als es Hillary Clinton bei einem „divided Congress“ (geringe demokratische Mehrheit im Senat, aber Minderheit im Abgeordnetenhaus) gehabt hätte, aber auch er ist auf die Unterstützung seiner Parteikollegen in Senat und Abgeordnetenhaus angewiesen. Und wie bereits in den letzten Monaten deutlich wurde, gibt es in einigen von Trump in seinem Wahlkampf angedeuteten Punkten große Meinungsunterschiede zwischen ihm und dem überwiegenden Rest der Partei. Insofern gehen wir davon aus, dass Donald Trump als Präsident wesentlich gemäßigter sein wird als er es im Wahlkampf in seiner polemisch populistische Art war, weil er sich mit seinen Parteikollegen arrangieren muss. Das Resultat wird u.E. eine Politik sein, die mehr die republikanischen Werte als seine eigenen reflektiert!
Eines der wenigen Beispiele, wo Trump etwas konkreter wurde, war sein Versprechen, dem amerikanischen Volk USD 300 Mrd. an Medikamentenkosten pro Jahr einzusparen, wenn es ihn zum Präsidenten wählen würde. Fragen, wie er das denn bewerkstelligen wolle, ignorierte er. Diese einfach in den Raum geworfene Zahl war natürlich kompletter Nonsens! Die USA gaben im Jahr 2014 ziemlich genau USD 300 Mrd. für Medikamente aus, davon etwa die Hälfte von staatlichen Programmen wie Medicare, Medicaid etc. Wenn Trump also sagt, er würde seinem Volk USD 300 Mrd. pro Jahr einsparen, hieße das, jeder Amerikaner bekäme künftig seine Medikamente geschenkt und alle Pharma-, Biotech-, Generika- und Plasma-Unternehmen, welche ihre Produkte in den USA verkaufen (also inkl. der nichtamerikanischen Unternehmen), würden praktisch enteignet. Das wird nicht passieren! Einerseits hat er dafür in seiner eigenen Partei keinen Rückhalt und es wäre in der Praxis auch überhaupt nicht umsetzbar. Sein Statement zeigt aber, dass er sich mit dem Thema Medikamentenpreise nicht ernsthaft beschäftigt hatte, sondern dieses Thema nur anschnitt, weil er bei Clinton gesehen hatte, dass es gut dafür ist, Wählerstimmen zu gewinnen. Kurzum, Medikamentenpreise scheinen am unteren Ende seiner Prioritätenliste zu stehen.
Geringe Einflussnahme der Politik auf Medikamentenpreise
Zwar waren wir schon vorher der Meinung, dass Hillary Clintons medialer Kreuzzug gegen die Pharma- und Biotech-Unternehmen selbst bei ihrer Wahl zur Präsidentin wenig in Sachen Medikamentenpreise bewegt hätte, in der jetzigen Konstellation mit einer republikanischen Mehrheit in Senat und Abgeordnetenhaus wird dies sogar noch unwahrscheinlicher. Clintons Kreuzzug war vornehmlich durch sie selbst und ein paar Demokraten im Senat getrieben. Nachdem die Demokraten nun noch nicht einmal eine Mehrheit im Senat gewonnen haben und die Republikaner eine staatliche Einflussnahme auf Preise ohnehin schon immer kategorisch abgelehnt haben, sollte man von einer Entspannung hinsichtlich des Themas Medikamentenpreise ausgehen können.
Obama-Care wird nicht komplett rückgängig gemacht
Ein anderer Punkt, den Trump immer wieder andeutete war, dass er den Affordable Care Act (ACA; auch ObamaCare genannt) wieder rückgängig machen wolle. In diesem Punkt hat er durchaus Anhänger in den eigenen Reihen. Ob es aber dazu kommt, dass ACA komplett rückabgewickelt wird, bezweifeln wir. Im Gegensatz zu Trumps Äußerungen zu diesem Thema hat ACA bislang nicht so viel gekostet wie ursprünglich prognostiziert. Hinzu kommt, dass seit der Einführung von ACA Millionen Menschen eine Krankenversicherung erhalten haben, die zuvor keine Möglichkeit dazu hatten. Überdies wurde eine teure Infrastruktur zur Implementierung, der Administration und Überwachung und damit Arbeitsplätze geschaffen. Abgesehen davon gibt es Vereinbarungen mit den Healthcare Providers, die von der Politik nicht ohne Weiteres aufgelöst werden können, ohne Zugeständnisse an anderer Seite an die Industrie machen zu müssen. Insofern gehen wir davon aus, dass ACA gewisse Änderungen erfahren wird – die durchaus nötig sind, denn ACA 1.0 ist mitnichten perfekt – aber von einer kompletten Abschaffung gehen wir nicht aus.
Extrem tiefe Bewertungen bieten sehr gute Einstiegschancen in den Sektor
Da der Markt in den letzten Monaten jedoch von Hillary Clinton als neuer US-Präsidentin und einer vermeintlichen Verschlechterung des politischen Umfelds für den Healthcare-Sektor ausging, führte dies in den letzten 15-18 Monaten zu einem panikartigen und völlig übertriebenen Abverkauf des Sektors, der mit dem Wort „irrational“ nicht mehr zu beschreiben ist, sondern eher als „Wahnsinn“ bezeichnet werden muss! Hier wurde vom Markt ein Worst-Case-Szenario eingepreist, das nicht einmal dann gerechtfertigt wäre, wenn Hillary Clinton tatsächlich gewählt worden wäre und ihre komplette Healthcare-Agenda umsetzen hätte können. Dies gilt insbesondere für die Subsektoren Specialty Pharma & Generics, Biotech und in geringerem Maße auch für BigPharma. Mit anderen Worten: Selbst wenn die Trumpsche bzw. republikanische Politik keine positiven Effekte brächte und der aktuelle Status Quo erhalten bliebe, hat dieser Abverkauf des Healthcare-Sektors v.a. in den genannten Subsektoren zu geradezu lächerlichen Bewertungen geführt. Nur einen Tag vor Trumps Wahl zum nächsten US-Präsidenten war die Stimmung bzgl. des Healthcare-Sektors am absoluten Tiefpunkt (so schlecht wie zuletzt in 1992!!). Der Sektor war sowohl stark unterbewertet als auch technisch stark überverkauft. Und selbst nach den Kurssprüngen der letzten zwei Tage trifft dies nach wie vor zu.