Eigentlich war es schon „fünf Minuten nach Zwölf“, als das amerikanische Abgeordnetenhaus in der Nacht zum Mittwoch nach langem politischen Hin und Her den Budgetkompromiss mit 257 zu 167 Stimmen billigte. Die Abstimmung offenbarte tiefe Differenzen unter den Republikanern. Der republikanische Sprecher des Hauses, John Boehner, und auch der als Fiskalkonservativer bekannte frühere Vizepräsidentschaftskandidat, Paul Ryan, stimmten für den Kompromiss. Der republikanische Mehrheitsführer der Republikaner im Haus, Eric Cantor, und der Fraktionschef Kevin McCarthy stimmten dagegen.
Der Kompromiss beinhaltet neue Belastungen für die meisten US Bürger
Hauptbestandteile des Verhandlungsergebnis sind Steuererhöhungen für Amerikaner mit einem Jahressalär von mehr als 400.000 Dollar (Paare: 450.000 US Dollar). Das ist die erste Erhöhung der Einkommensteuer seit zwei Jahrzehnten. Hinzu kommen Steuerhöhungen für reiche US Bürger auf Erbschaften, auf Kapitalgewinne und Dividenden. Der Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge um zwei Prozent wird nach Expertenberechnungen etwa drei Viertel der arbeitenden Bevölkerung treffen und ihr Einkommen um ca. 120 Milliarden US Dollar im Gesamtjahr 2013 verringern. Zugleich vertagt der Kongress automatische Kürzungen der Ausgaben, die zur Hälfte den Verteidigungshaushalt träfen, um zwei Monate. Mehr als zwei Millionen Langzeitarbeitslose werden zudem für ein weiteres Jahr finanzielle Unterstützung erhalten. Das Kompromisspaket enthält zugleich eine ganze Reihe von Steuervergünstigungen, die verlängert werden. Auffällig sind unter anderem die Verlängerung von Subventionen für Landwirte und der Verzicht der Kongressmitglieder auf höhere Einkommen in diesem Jahr.
Das Einigungspaket wird die US Konjunktur moderat bremsen
Paul Ashworth, der Chief US Ökonom des Analysehaus Capital Economics schätzt, dass die Belastungen des Kompromisses das Bruttosozialprodukt der Vereinigten Staaten mit etwa 0,5% tangieren wird. Allerdings liefern die Mehreinnahmen keinen nennenswerten Beitrag zur Konsolidierung der amerikansichen Staatsfinanzen. Die Steuererhöhungen für wohlhabende Amerikaner bringen über zehn Jahre Mehreinnahmen in Höhe von 620 Milliarden US Dollar. Allerdings sind dringend notwendige Kürzungen auf der Ausgabenseite (Stichwort: Militäretat) bisher unterblieben.
Nach der Klippe ist vor der Klippe
In Abwandlung der alten Fussballerweisheit, dass nach dem letzten Spiel bereits vor dem nächsten Spiel ist, geht der sorgenvolle Blick auf die Schuldenuhr der Vereinigten Staaten. Der Schuldenstand beträgt derzeit etwa 16,4 Billionen US Dollar. In den kommenden zwei Monaten (bis Ende Februar) muss Präsident Obama eine Anhebung der Schuldengrenze erreichen, um eine abermalige Fiskalklippe (automatische Ausgabenkürzungen) zu vermeiden. Die zu Tage getretenen tiefen Zerwürfnisse innerhalb des republikanischen Lagers, aber auch ein gewisser Mangel an Führungsautorität von Präsident Obama, lassen für die bevorstehenden Verhandlungen nichts Gutes erahnen.
Fazit:
Die Aktienmärkte haben die „Last-Minute-Einigung“ beim Fiskalstreit mit Erleichterung und steigenden Kursen honoriert. Allerdings wird sich das politische Geschachere bereits in wenigen Wochen, wenn Amerika die Schuldenobergrenze erreicht, mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholen. Somit sind zumindest temporäre Belastungsfaktoren für die Märkte vorprogrammiert.