Editorial der Freitags-Info vom 28.01.2022

Geposted von Thomas Boldt am

Zeitenwende der US-Notenbankpolitik

FED-Chef Jerome Powell hat gesprochen und geliefert. Am Mittwochabend hat die US-Notenbank getagt und die Finanzmärkte wissen nun, woran sie sind.

Die Fakten zur Notenbanksitzung kurz zusammengefasst:

  • Das Anleihekaufprogramm läuft – wie beschlossen – im März aus.
  • Eine erste Leitzins-Anhebung wird im März erfolgen.
  • Mehr als die drei bereits angekündigten Leitzinsanhebungen sind eine „reale Möglichkeit“.
  • Laut FED-Chef Powell hat die USA nunmehr Vollbeschäftigung.
  • Inflation wird noch weiter steigen.
  • Powell sorgt sich nicht um die Finanzmärkte.
  • Die Bilanzsumme der Fed muss auf Sicht wieder reduziert werden.

Der erste Punkt war nur eine Bestätigung des bereits Bekannten. Neu war, dass nun tatsächlich schon im März der Leitzins erstmals angehoben wird – offen ist jedoch weiterhin, um wie viele Basispunkte.

Das hörten die Finanzmärkte ebenso ungerne, wie die Nachricht, dass die angekündigten drei Leitzinsanhebungen im laufenden Jahr nicht zwingend auch das Maximum bedeuten: Immerhin lässt sich daraus interpretieren, dass es wohl eher kleine Zinsschritte geben wird.

Auch die laut Powell erreichte Vollbeschäftigung in den USA hat den Investoren nicht behagt: Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass die Notenbank die Fortsetzung ihres Anleihekaufprogramms lange Zeit mit der noch zu hohen Arbeitslosenquote begründet hatte. Die Botschaft hier lautet: Auch eine Rückkehr zur Liquiditäts-Flutung ist damit in weite Ferne gerückt.

Dass die Inflation weiter steigen wird, ist nicht wirklich überraschend: Immerhin hat die FED ja – völlig unnötig – noch zwei Monate länger Benzin, sprich: Liquidität, in die Finanzmärkte gegossen, als erforderlich gewesen wäre.

Last not least: Der „FED-Put“ ist endgültig vom Tisch! Investoren müssen sich ab sofort von ihrem Mantra verabschieden, dass die US-Notenbank den Aktienmarkt schon „retten“ wird, wenn es mal deutlicher in die Knie geht.

Überzogener Rücksetzer beim Goldpreis

Unmittelbare Reaktionen gab es aber nicht nur am Aktienmarkt. Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen schnellte auf +1,85% hoch, den vor 7 Tagen erreichten Höchststand. Der Goldpreis rutschte daraufhin von zuvor 1.850 USD je Feinunze auf aktuell nur noch 1.785 USD. Aber ist dieser Rücksetzer begründet?

Schauen wir einmal gemeinsam auf die reale Rendite: Diese wird berechnet, indem vom Marktzins (10-jährige US-Staatsanleihe) die Inflationsrate subtrahiert wird. Aktuell liegt die reale Rendite bei -5,15% nur geringfügig über dem bisherigen Tief von -5,42%. Überdies hat Powell zugegeben, dass die Inflation noch weiter steigen wird. Auch das verringert per Saldo nicht die extrem negative Realrendite. Ich halte deshalb den Goldpreis-Rücksetzer für völlig übertrieben und auch ungerechtfertigt.

Fazit: Die Pressekonferenz der US-Notenbank hat einige Dinge klarer gemacht, andere jedoch weiterhin im Nebel der Ungewissheit belassen. Das Bekenntnis zur Inflationsbekämpfung wurde noch einmal bekräftigt und sollte damit auch den letzten „FED-Put“-Gläubigen bekehren. Das drückt sich auch darin aus, dass für die US-Notenbank nun mehr als drei Leitzinsanhebungen noch in diesem Jahr eine reale Option sind. Offen bleibt, welches Ausmaß diese Anhebungen haben können.

Die Marktteilnehmer hatten unmittelbar vor der FED-Sitzung bereits vier Zinserhöhungen für 2022 antizipiert und gehen nach der Sitzung jetzt von fünf Erhöhungen aus. Zwei weitere sollen im März und Juli 2023 hinzukommen.

Bleiben Sie gesund und genießen Sie das Wochenende.

Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger

 

Direktor Privatkunden Gies und Heimburger GmbH