Mit dem „Weltbild“ von Gies & Heimburger liefern wir Ihnen seit Januar 2013 zu jedem Quartalsbeginn ein komprimiertes Update über unser „Bild von dieser Welt“ und die Schlussfolgerungen, die wir daraus ziehen.
Amerika: einmal mehr ist der Konsument der Eckpfeiler für die Konjunktur
Die Wirtschaftsentwicklung in Amerika ist gemäß den jüngsten Einkaufsmanagerdaten vom Oktober robust in das vierte Quartal gestartet. Der Service-Sektor erweist sich dabei als Zugpferd und dürfte auch in den kommenden Monaten der Anker einer positiven Konjunkturentwicklung bleiben. Die Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Fortsetzung der jüngst wieder positiven Entwicklung (sinkende Infektionszahlen) an der Corona-Front. Capital Economics erwartet für das Gesamtjahr 2021 ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 5,7% und 3,4% im kommenden Jahr.
Das verarbeitende Gewerbe spürt den Gegenwind der Lieferengpässe in vielen Bereichen. Eine ganze Reihe von Sektoren können nicht mit Vollauslastung produzieren, weil permanent Komponenten fehlen bzw. verspätet an die Produktionsstraßen geliefert werden. Zusammen mit den stark gestiegenen Energie- und generellen Rohstoffpreisen bewirkte dies den kräftigen Inflationsanstieg. Die US-Unternehmen beklagen auch den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und müssen höhere Löhne zahlen, um Personal zu rekrutieren bzw. die bestehende Mannschaft zu halten. 5,4% betrug der Preisauftrieb im September im Vergleich zum Vorjahr. Wir erwarten, dass die 5 vor dem Komma zumindest bis zum Jahresende Bestand haben wird.
Die amerikanische Notenbank Fed deutete jüngst an, dass sie eine vorsichtige Straffung ihrer Geldpolitik vornehmen wird. Vermutlich ab November wird sie den monatlichen Ankauf von Anleihen reduzieren (Tapering). Dieser Prozess dürfte bis Mitte 2022 abgeschlossen sein. Auch die Fed gesteht somit ein, dass die inflationäre Tendenz nicht so ganz kurzfristiger Natur ist, wie sie dies bis zum Spätsommer noch behauptete und somit weitere Anleihekäufe mit großen Summen kontraproduktiv wirken. Der amerikanische Rentenmarkt hat seine Einschätzung dazu mit steigenden Renditen seit Mitte August (aktuell 1,65%) bereits dokumentiert. 1,75% bis 2% könnte das Renditeniveau für 10-jährige Staatsanleihen am Jahresende erreichen. Somit wird das monetäre bzw. Renditeumfeld für die Aktienmärkte von Rückenwind auf (leichten) Gegenwind wechseln. Die aktuell laufende Berichterstattung der Unternehmen über den Geschäftsverlauf im dritten Quartal und die Ausblicke der Vorstände auf Q4 werden dem amerikanischen Aktienmarkt aus fundamentaler Sicht den Weg weisen. Wir erwarten hier eine eher durchwachsene „Wetterlage“ (Stichwort Kostenanstieg und Druck auf die Margen).
Eurozone: die Wachstumskurve flacht sich etwas ab
Für die Eurozone zeigen die jüngsten Einkaufsmanagerumfragen eine Abflachung der Wachstumskräfte. Sowohl der Service-Index als auch der Index der Industrieproduktion schwächten sich im Oktober (gemäß den Flash-PMIs) moderat ab. Capital Economics schätzt für das laufende Jahr ein Wachstum des BIPs (y/y) in Höhe von 5,4% und 4,5% im kommenden Jahr. Analog der oben dargestellten Entwicklung in Amerika beeinträchtigt die Störung in den weltweiten Lieferketten das verarbeitende Gewerbe in der Eurozone spürbar. Hierbei sind vor allem Halbleiter gemeint, die zur Steuerung unseres Alltags im Rahmen der Stromversorgung, Kommunikation, zur Fehlerbehandlung usw. eingesetzt werden. Auch in Europa ist das Inflationsgespenst allgegenwärtig.
Das C-19 Infektionsgeschehen war nun einige Monate sehr gut unter Kontrolle und es gab berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass eine ansprechende Impfquote dem Virus den Schrecken genommen haben könnte. Der Anstieg der Inzidenz in den vergangenen Tagen lässt jedoch erste Risse in dem positiven Bild erscheinen. Werden wir erneut mit Einschränkungen konfrontiert werden? Muss der Druck auf Impfunwillige nochmals erhöht werden? Der kausale Zusammenhang von hohen Impfquoten und relativ geringen Neuinfektionen ist jedenfalls unstrittig.
Die Europäische Zentralbank macht bis dato keine Anstalten, ihre ultralockere Geldpolitik einer Revision zu unterziehen. Über die Fortdauer des Anleihekaufprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) wird der EZB-Rat erst im Dezember beratschlagen. Die Ankündigung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, sein Amt Ende des Jahres aufzugeben ist leider kein gutes Signal für all jene, die innerhalb der EZB eine starke stabilitätsorientierte Fraktion von Notenbankern sehen wollten. Die europäischen Rentenmärkte scheinen, ähnlich wie in Amerika, ihre eigene Sicht der Dinge einzupreisen. Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihen notieren bei -0,10% und der Weg zur Nulllinie scheint vorgezeichnet. Die Aktienmärkte der Eurozone bewegen sich seit einigen Wochen mehr oder weniger im Seitwärtsmodus. Auch hier werden die Quartalsergebnisse der Unternehmen die Frage beantworten, ob eine Jahresendrally auf der Agenda steht oder zunehmende Inflationssorgen die Märkte korrigieren lassen.
Japan: neuer Premierminister – aber kein entscheidender Politikwechsel
Japans Ex-Außenminister Fumio Kishida wird der 100. Ministerpräsident des Landes werden und löst damit den farb- und glücklosen Yoshihide Suga als Partei- und Regierungschef ab. In seinem insgesamt 20-köpfigen Kabinett hat Kishida 18 Stellen neu besetzt, 13 Mitglieder werden zum ersten Mal ein Ministeramt begleiten. Insgesamt sind drei Frauen im Kabinett vertreten, eine mehr als in Sugas Regierung. Der 64 Jahre alte Kishida kündigte ein großes Konjunkturprogramm an, um die Wirtschaft nach dem Corona-Abschwung anzuschieben. Diese Ankündigung fand zunächst den Geschmack der Börsianer. Ob das Konjunkturprogramm mittel- und langfristig wirklich etwas bewirkt, bleibt abzuwarten. Capital Economics schätzt für dieses Jahr ein BIP-Wachstum in Höhe von 2,3%, im kommenden Jahr sollte sich das Wachstum auf 3,5% beschleunigen. In dieser Entwicklung spiegelt sich die langsamere Erholung der japanischen Konjunktur im Vergleich mit Amerika und den Euro-Ländern nach den Corona-Einschränkungen wider.
Beim Nikkei 225 Index gestaltet sich ein nachhaltiges Überschreiten der 30.000-Punkte- Marke als schwieriges Unterfangen. Mitte September sprang der Index in diesem Jahr zum zweiten Mal über die wichtige Hürde, konnte dieses Niveau bis heute aber wiederum nicht verteidigen. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass der Index am Jahresende über den besagten 30.000 Zählern notieren wird. Die Bank of Japan kann und wird keine Veränderung ihrer ultralockeren Geldpolitik vornehmen, so dass dieses Fragezeichen in Japan im Vergleich zu Amerika nicht besteht.
Emerging Markets: China mit erheblichen Problemen – Indien weist eine beeindruckende wirtschaftliche Erholung auf
China entwickelte sich im Verlauf des dritten Quartals zum Sorgenkind der Weltkonjunktur. Der drohende Kollaps des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande beschäftigt die Märkte seit langen Wochen. Das mit Krediten finanzierte Wachstum von Evergrande geriet durch staatliche Einschnitte bei der Kreditvergabe ins Stocken und das Geschäftsmodell von Evergrande scheint zu scheitern. Der Immobiliensektor steht für knapp ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts der Volksrepublik. Dies verdeutlicht, wie stark eine Pleite des zweitgrößten Immobilienentwickler des Landes das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen könnte. Zusätzlich verunsicherten umfassende Regulierungsmaßnahmen der chinesischen Regierung den Kapitalmarkt. Die kommunistische Partei will zukünftig stärker die soziale Gerechtigkeit im Blick behalten und angemessener Wohlstand für die gesamte Bevölkerung ist das Ziel der wirtschaftlichen Aktivitäten. Auch in China hat sich in den vergangenen Jahren die Schere zwischen arm und reich enorm geöffnet. Die chinesischen Technologiewerte wie Tencent und Alibaba (mit deutlichen Kursrückgängen in den vergangenen Monaten) waren für die schwache Quartalsperformance des MSCI Emerging Market Index mitverantwortlich.
Wir hatten in unserem Weltbild vom Juli 2021 deutlich Position bezogen, dass die starken Kursrückgänge bei den chinesischen Wachstumswerten in unseren Augen exzellente Kaufgelegenheiten bieten. Diese Einschätzung hat sich bis heute bewahrheitet. Die von uns für China und den asiatischen Raum ausgewählten Investmentfonds konnten in den vergangenen Wochen spürbar zulegen. An unserer Kaufempfehlung halten wir weiterhin fest. Die Staats- und Parteiführung weiß ganz genau, dass die langfristigen Wachstumsziele nur mit leistungsfähigen, privatwirtschaftlichen Unternehmen und mit modernen Kapitalmärkten erreicht werden können. Eine mögliche Evergrande-Pleite mag noch zu kurzfristigen Turbulenzen an den Märkten führen, die positive Langfristentwicklung wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt.
Brasilien konnte das Impftempo erhöhen und zumindest an der C-19 Front Fortschritte erzielen. Der globale Inflationsanstieg zeigt sich in Brasilien besonders deutlich, wo die Teuerungsrate in diesem Jahr bei knapp 8% liegt. Zunehmend unter Druck gerät Präsident Jair Bolsonaro, der sich massive Kritik an seiner Corona-Politik gefallen lassen muss. Im nächsten Jahr stehen Neuwahlen an. Ex-Präsident Lula da Silva gilt als ernsthafter Herausforderer.
Unsere Erwartung einer weiteren Stabilisierung des Brasilianische Real, nach den Avancen im zweiten Quartal, erwies sich als nicht zutreffend. Der Real wertete unter der Last der hohen Inflation im Lande in der zweiten Jahreshälfte bisher um rund 10% zum Euro ab.
Russland erleidet aktuell eine erneute Corona-Welle. 38.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden und über 1.000 Todesopfer täglich sind die bittere Quittung für ein mangelhaftes Management der Pandemie. Vollständig geimpft sind erst 33% der Bevölkerung, so dass keine zügige Besserung der Situation zu erwarten ist. Präsident Putin verordnete dem Land eine arbeitsfreie Woche, um eine weitere Beschleunigung der Infektionslage einzudämmen. Die Metropolregion Moskau geht in einen erneuten strengen Lockdown. Auf der Habenseite profitiert Russland von den stark gestiegenen Gas- und Erdölpreisen. Dies verleiht dem Rubel Rückenwind, der im Jahresverlauf gegenüber dem Euro um 10 Prozent aufwertete.
In Indien verbesserte sich die C-19-Situation nach der dramatischen Infektionswelle im Frühjahr / Frühsommer mittlerweile sehr deutlich. Obwohl die Quote vollständig geimpfter Menschen mit rund 22% noch sehr gering ist liegt die 7-Tage-Inzidenz aktuell unter 10. Die wirtschaftliche Erholung fiel vor diesem Hintergrund sehr kräftig aus. Capital Economics schätzt für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum in Höhe von 8% und eine Beschleunigung auf 10,5% im kommenden Jahr. Die Wirtschaft in Indien wird nach wie vor von der sehr positiven demographischen Entwicklung (junge und weiter wachsende Workforce) getragen.
Rohstoffe / Rohstoffaktien: Drastischer Preisanstieg der Energierohstoffe
Eines der meistdiskutierten wirtschaftlichen Themen der vergangenen Wochen ist der starke Preisanstieg der Energierohstoffe. Öl verteuerte sich im zweiten Halbjahr bis dato um 15%, Gas und Kohle gar um über 60%! Glaubt man den Prognosen der Meteorologen, dann wird der kommende Winter auf der Nordhalbkugel relativ kalt ausfallen mit entsprechend hohem Heizbedarf. Investitionen in die Erschließung neuer Lagerstätten fossiler Rohstoffe bzw. in die erforderliche Fördertechnik werden zu gering ausfallen, weil derartige Investitionen als „klimaschädlich“ deklariert und deshalb kaum noch finanzierbar sein werden. Dieser Umstand wird einen länger anhaltenden Druck auf die Energiepreise ausüben.
Edelmetalle – das Inflationsgespenst schreckt Gold und Silber noch nicht über Gebühr
Die Edelmetallpreise entwickelten sich in den vergangenen Monaten, angesichts der kräftig angestiegenen Inflation, eher enttäuschend. Da wir die Inflation als längerfristiges Phänomen betrachten, sehen wir deutliches Preissteigerungspotential bei den Edelmetallen und mit Ihnen auch die Börsenkurse der entsprechenden Minengesellschaften, die fundamental sehr günstig bewertet sind.