Kein Recht auf Zinsen
Isabel Schnabel ist Direktorin der Europäischen Zentralbank. Als solche hört sie von vielen vor allem eines – Beschwerden. Ein häufiger Vorwurf: Die Währungshüter seien schuld an der Enteignung der Sparer. Die ehemalige Wirtschaftsweise wehrt sich im Interview mit der „Welt“ vehement gegen diese Annahme.
„Mir ist es in meiner neuen Rolle wichtig, für mehr Verständnis in der Bevölkerung zu werben“, erklärt Isabel Schnabel, Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB), im Interview mit der „Welt“. In ihrer Funktion wolle sie mit Missverständnissen aufräumen.
Das größte Missverständnis ist laut Schnabel die Enteignung der Sparer: „Das würde ja bedeuten, dass die EZB den Menschen etwas wegnimmt, das ihnen zusteht. Das ist aber nicht der Fall.“ Vielmehr sei der Leitzins von 0 Prozent das einzige sinnvolle Instrument, um makroökonomischen Trends wie der Alterung der Gesellschaft oder dem schwächeren Produktivitätswachstum zu begegnen.
EZB-Direktorin verteidigt Niedrigzins
Schnabel versteht die Frustration über niedrige Sparerträge, „doch das ist nicht das ganze Bild“. Schließlich hätten Kreditnehmer und Immobilienbesitzer ebenso profitiert wie Staat und Arbeitnehmer. Hätte die EZB ihre lockere Geldpolitik nicht durchgezogen, so die ehemalige Wirtschaftsweise gegenüber der Welt, „wäre die Wirtschaft deutlich langsamer gewachsen, die Inflation wäre niedriger und die Arbeitslosigkeit höher“.
Schnabel nimmt auch die Politik in der Verantwortung. Deren Aufgabe sei es, den Bürgern angesichts des Niedrigzinsumfelds zu vermitteln, dass es nicht sinnvoll ist „sein gesamtes Geld als Spar- oder Termineinlage zu halten“. Berlin müsse erklären, wo die Alternativen sind. Wenig zielführend ist laut der ehemaligen Wirtschaftsweisen die Idee des Bundesfinanzministers Olaf Scholz, eine Steuer auf Aktien einzuführen: „Aus ökonomischer Perspektive sehe ich diesen Vorschlag eher kritisch.“
„Das kann man nicht der EZB anlasten“
Auch die Schuld an vergangenen Krisen am Finanzmarkt weist Schnabel als Vertreterin der EZB von sich. Die Krise im Süden des Euro-Raumes nach der Jahrtausendwende sei keineswegs durch niedrige Zinsen der Währungshüter mitverursacht worden: „Die Krise hatte verschiedene Ursachen. Eine Schwäche lag in der Bankenregulierung und -aufsicht. Das kann man nicht der EZB anlasten.“
Künftig, so Schnabel, müsse die Zivilgesellschaft mehr in die Arbeit der EZB einbezogen werden, um die Entfremdung zwischen Bürgern und Zentralbank aufzuhalten: „Die EZB hat in der Vergangenheit vielleicht zu wenig mit den Bürgern kommuniziert.“
Wir dürfen gespannt sein wie ein konstruktiver Dialog mit den Bürgern funktionieren wird.
Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünscht Ihnen ein angenehmes Wochenende.