Die andere Zinswende
Seit langen Monaten ist die Diskussion über den Zeitpunkt und den Umfang möglicher Zinssenkungen in den westlichen Industrienationen ein dominantes Thema in der Wirtschaftspresse. Zuletzt scheint die Mehrheit der Experten, erste Zinssenkungen im Juni 2024 zu erwarten. Diese Woche bekam diese Einschätzung, mit deutlich über den Erwartungen liegenden Produzentenpreisen in Amerika, zwar einen herben Dämpfer, sollten aber nicht vom Tisch sein.
Zuletzt sahen wir in Amerika etwas schwächere Konjunkturdaten, an erster Stelle rückläufige Einzelhandelsumsätze, die mit dem Blick auf den so wichtigen amerikanischen Konsumenten, besonders sensibel sind.
Ich bin sehr überzeugt, dass wir im Sommer die Einleitung der Zinswende sehen werden. Über den Umfang und die Geschwindigkeit dürfen wir dann fortlaufend vortrefflich diskutieren und spekulieren.
Ziemlich unter dem Radar entwickelt sich eine, wie ich meine, mehr als überfällige Zinswende in die andere Richtung. Ich spreche von einer Zinserhöhung in Japan. Kommende Woche am Montag und Dienstag tagt die Bank of Japan.
Die Chancen für ein Ende der Null- und Negativzinsen stehen, unter Würdigung der wirtschaftlichen Gegebenheiten, eigentlich nicht schlecht. Japan hat die quälend lange Phase der Deflation hinter sich gelassen. Die Kerninflationsrate lag zuletzt bei 3,5 Prozent, die Lohnverhandlungsrunde in diesem Frühjahr lässt veritable Steigerungen der Einkommen erwarten, so dass die japanischen Währungshüter die Gelegenheit beim Schopfe packen sollten, die Geldpolitik endlich zu normalisieren. Besonders das Wort Währungshüter rückt diesbezüglich bei mir in den Blickpunkt. Der japanische Yen hat durch die zurückliegende ultralockere Geldpolitik eine enorme Abwertung erfahren. In Relation zum US Dollar muss man in das Jahr 1990 zurückblicken um einen Kurs von rund 150 Yen für einen Dollar zu finden. Dies spiegelt in meinen Augen keinesfalls die wirtschaftliche Solidität von Japan wider, sondern ist, zumindest zu einem guten Teil, das Zerrbild internationaler Zins- und Währungsspekulationen (Carry Trades), die mittlerweile gewaltige Volumen erreicht haben.
Für mich bleibt die Frage, ob die eine Dame und acht Herren des Policy Boards der Notenbank unter Führung von Ueda Kazuo es nicht schlicht und ergreifend verlernt haben, eine Entscheidung zu treffen.
Hans Heimburger und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünschen Ihnen ein schönes Wochenende