Editorial der Freitags-Info vom 15.05.2020

Geposted von Andreas Rosner am

Sprengkraft an den Anleihemärkten

Man wird den Eindruck nicht los, dass sich alles wieder normalisiert. Unser Tagesrhythmus nähert sich langsam einem gefühlten Normalzustand. Unser Blick gilt dabei auch, wie sich die Lage an den Finanzmärkten entwickelt. Und zumindest die Aktienmärkte scheinen sich an das Horrorszenario einer kaum jemals gesehenen Wirtschaftsabschwächung zu gewöhnen.

Doch der Schein trügt. Mein Kollege, Thomas Boldt, hat sich in einem Beitrag mit der US-Ölindustrie intensiv auseinandergesetzt und ich möchte kurz auf die Sprengkraft am Rentenmarkt eingehen. Denn hier sind wir, wie historisch noch nie erlebt, in einer völlig neuen Welt. In den letzten Jahren, eigentlich seit Ende der Finanzkrise 2008, erleben wir am Beispiel des US Corporate Marktes, also bei den US-Unternehmensanleihen, eine beängstigende Entwicklung:

Die linke Spalte zeigt das prozentuale Volumen im Verhältnis zum BIP und die rechte Spalte das Volumen in Billionen US-Dollar. Die dünnere graue Linie, die seit ca. 2001 abgebildet wird, sagt aus wie hoch die Handelsbücher der Banken ausgestattet waren. Bis zum Jahr 2008 war die Welt völlig in Ordnung. Das von US-Unternehmen aufgelegte Volumen wurden von den Banken absorbiert. Durch geänderte Eigenkapitalanforderungen, als Schutzmaßnahme nach der Finanzkrise, haben sich die Banken immer weiter zurückgezogen und somit für ein Vakuum gesorgt. Gerade bei Ereignissen, die ein großes Handelsvolumen auslösen zeigt sich die Sprengkraft. Wenn alle verkaufen und niemand mehr da ist der in schwierigen Marktphasen kauft, fallen die Preise in nie für möglich gehaltenen Regionen. Früher waren es die Banken, die „dagegen gehalten“ haben, heute muss es der Markt bzw. die Notenbanken richten!

Was das für Folgen hat, zeigt ein Beispiel am deutschen Unternehmensanleihenmarkt. Am 23.03.2020 wurde für eine Anleihe eines im DAX gelisteten Unternehmens ein Kurs von 64% gehandelt, obwohl das Unternehmen diese Anleihe zum 31.03.2020 zu 100% gekündigt hatte und das Geld bereits auf einem Treuhandkonto hinterlegt war!

Dies Kurskapriolen machen es in Zukunft einem Unternehmen nicht leichter sich über den Kapitalmarkt mit Liquidität zu versorgen. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Bereitschaft der Notenbanken, weiterhin zwangsläufig als ultimative Feuerwehr zu fungieren, bestehen bleibt. Nur so kann auch an den Rentenmärkten Schritt für Schritt zur Normalität zurückgekehrt werden.

Bleiben Sie gesund, halten Sie weiterhin Abstand und genießen das Wochenende!

Andreas Rosner und das gesamte Team von Gies & Heimburger

Andreas Rosner ist Direktor Privatkunden der Gies und Heimburger GmbH.