Editorial der Freitags-Info vom 15.07.2022

Geposted von Andreas Rosner am

Liebe Leserinnen und Leser,

Euro Schwäche – Dollar Stärke?

In dieser Woche hat das Kursverhältnis US Dollar zum Euro zum ersten Mal seit 2002 wieder die Parität erreicht. Die Gründe für den Absturz des Euros sind sehr vielschichtig und sind teileweise in der Vergangenheit verankert.

Die Rolle der EZB ist sicher einer der Treiber der Euroschwäche. Im Gegensatz zur amerikanischen Notenbank FED haben die Währungshüter in Frankfurt zu lange an der Niedrigzinspolitik festgehalten. Nur zur Erinnerung, in den USA gab es keine Zinspolitik „zu Null“. Der tiefste Leitzins lag dort in der Vergangenheit bei 0% bis 0,25%, während die EZB seit 2016 die Nullzinsen fährt. Auch nachdem historischen Steigflug der Inflation seit Herbst 2021 hat Frau Lagarde erst für diesen Juli die Anhebung der Leitzinsen um 0,25% vorgesehen. Auch hier ist die Vorgehensweise der FED eine deutlich andere. Seit Jahresbeginn 2022 haben die amerikanische Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell die Zinsen um 1,5% auf nunmehr 1,75% angehoben und weitere deutliche Zinsschritte werden noch für dieses Jahr erwartet. Fachleute gehen davon aus, dass zum Jahrsende der US-Leitzins bei 3,5% liegen könnte. Und genau dieser Zinsunterschied macht Anlagen im US-Dollar Raum deutlich attraktiver.

Aber auch die Angst vor einer Wirtschaftskrise in Europa, ausgelöst durch die Spannungen bei der Energieversorgung, hat die Schwäche des Euros dramatisch befeuert. Der allgemeine Tenor in der Finanzwelt hält die wirtschaftliche Entwicklung in den USA für wesentlich stabiler. Denn die Energiekrise wird Europa deutlich stärker treffen als die USA und somit dürfte das Thema Rezession im Euroraum mehr und mehr zu einem Schreckgespenst werden.

Wirtschaftliche Abschwächung gepaart mit anhaltend hoher Inflation sind eine brisante Konstellation und es wird spannend sein zu beobachten, ob die EZB nicht gezwungen ist in diesem Jahr, stärker als bislang geplant, an der Zinsschraube zu drehen!

Ob dies wiederum hilft die Rezession in Europa in einen kontrollierbaren Korridor zu führen ist schwer zu prognostizieren. Zu groß ist die Unsicherheit in der Energieversorgung. Aktuell ist die Gaslieferung aus Russland unterbrochen. An der Gaspipeline Nordstream 1 werden zurzeit Wartungsarbeiten durchgeführt aber die Sorge im Westen ist groß, dass nach Beendigung der Arbeiten die Gaslieferung länger ausbleiben wird. Und dies wiederum wird zu heftigen Problemen in energieintensiven Wirtschaftsbereichen wie zum Beispiel der Stahlherstellung führen. Eine Substitution der fehlenden Gaslieferungen ist zwar auf einem guten und richtigen Weg. Aber bis die neuen Versorgungswege stehen wird noch viel Zeit ins Land gehen und die Parität zwischen Euro und Dollar dürfte uns noch eine Weile erhalten bleiben oder auch unterschritten werden.

Bleiben Sie gesund, halten Sie bitte weiterhin Abstand und genießen Sie das Wochenende.

Andreas Rosner und das gesamte Team von Gies & Heimburger

 

 

 

 

 

Andreas Rosner ist Direktor Privatkunden der Gies und Heimburger GmbH.