Die Woche der Notenbanken
Die Inflation hat in den Industrieländern im Verlauf des Jahres massiv zugenommen. Die beiden Hauptgründe sind der starke Energiepreisanstieg und Lieferengpässe bei vielen wichtigen Gütern. Und welchen Einfluss hat die massive Ausweitung der Notenbankbilanzen (Erhöhung der Geldmenge)? Eine (sicherlich nicht einfache) Antwort auf diese Frage, bleiben nahezu alle Kommentatoren schuldig.
Der Inflationsdruck zwingt nun die großen Notenbanken zum Handeln, wobei die Herangehensweise sehr unterschiedlich ausfällt.
Die amerikanische Notenbank Fed wird in 2022 die Leitzinsen erhöhen
Am vergangenen Mittwoch machte die Fed den Anfang mit ihrem letzten Meeting in 2021. Der Beschluss, die monatlichen Anleihekäufe ab Januar jeweils um 30 Milliarden Dollar zu reduzieren, war keine Überraschung, denn diese Vorgehensweise hatte Fed Chef Jerome Powell bereits vor wenigen Wochen angekündigt. Somit wären die pandemiebedingten Anleihekäufe im März Geschichte. Gleichzeitig gaben die US-Währungshüter ein klares Signal für Zinserhöhungen im kommenden Jahr. Drei Zinsschritte im Jahresverlauf 2022 könnten auf der Agenda stehen. Die Prognosen für 2023 und 2024 erspare ich Ihnen und mir, denn an dieser Kaffeesatzleserei mag ich mich nicht beteiligen. Kein Notenbanker dieser Welt kann in diesen sehr speziellen (Pandemie-) Zeiten eine ernsthafte Prognose für die Jahre 2023 und 2024 abgeben. Erinnern Sie sich daran, wie uns die Fed noch gegen Ende des Sommers gebetsmühlenartig die Geschichte der nur vorübergehenden hohen Inflation beibringen wollte…?
Die Europäische Zentralbank wird die Zinsen in 2022 nicht erhöhen
Auch die EZB traf sich diese Woche zur letzten Sitzung des Jahres. Wie bereits angekündigt, wird das C-19 Kaufprogramm PEPP Ende März kommenden Jahres beendet. Falls notwendig kann es jedoch jederzeit wieder gestartet werden. Um den Entzug von der Droge Liquidität nicht ganz so hart zu gestalten, werden die Wertpapierkäufe des „normalen“ Kaufprogramms APP temporär erhöht. Endfällige Wertpapiere in dem Bestand der EZB (bzw. der jeweiligen EWU-Notenbank) sollen auf alle Fälle bis Ende 2024 vollumfänglich reinvestiert werden. Da die EZB das APP-Kaufprogramm mindestens bis Ende 2022 fortsetzen wird und sie die Leitzinsen erst nach einem Ende der Nettokäufe erhöhen will, ist eine Zinserhöhung im kommenden Jahr praktisch vom Tisch. Die Mitglieder des EZB Rats haben ihre Inflationsprognosen für das kommende Jahr auf im Durchschnitt 3,2% angehoben. Im September lag die Erwartung noch bei 1,7%.
Die Bank of England erhöht die Leitzinsen
Etwas überraschend hat die BoE am Donnerstag die Leitzinsen von 0,10 auf 0,25 Prozent erhöht. Eine Teuerungsrate von 5,1% im November und ein zunehmend besserer Arbeitsmarkt veranlassten die Währungshüter in London zu diesem Schritt, dem im kommenden Jahr vermutlich weitere Erhöhungen folgen werden.
Die Notenbanken in Russland, Norwegen und Mexiko haben diese Woche ebenfalls Zinserhöhungen durchgeführt.
Die Währungshüter haben unverkennbar begonnen, Maßnahmen gegen noch höhere Inflationsrisiken zu ergreifen. Diese dürften keine Eintagsfliegen bleiben, sondern den Beginn von geldpolitischen Straffungsmaßnahmen markieren. Das Dilemma der EZB ist offensichtlich: aus Rücksichtnahme auf die (zu) hoch verschuldeten Staaten wie Italien, Griechenland, Spanien usw. kann gar keine der Inflationssituation angemessene Geld- und Zinspolitik vorgenommen werden.
Bleiben Sie gesund, halten Sie bitte weiterhin Abstand und genießen Sie den Vierten Advent.
Hans Heimburger und das gesamte Team von Gies & Heimburger