Editorial der Freitags-Info vom 21.01.2022

Geposted von Andreas Rosner am

Zeitenwende bei Zinsen

So titelt die gestern erschienene Ausgabe vom Handelsblatt und beleuchtet dabei die Renditeentwicklung der 10-jährigen deutschen Bundesanleihen. Erstmals seit 141 Wochen lag die Rendite in dieser Woche mit 0,02% wieder über der Null Linie.

Das Handelsblatt zitiert in diesem Zusammenhang den Chef des Ifo-Instituts „eine kleine Änderung mit großem Symbolwert“. Denn die 10-järige Bundesanleihe gilt als Maßstab wohin die Reise für die langfristige Entwicklung der Kapitalmarktzinsen in Deutschland aber auch im Euroraum geht. Auswirkungen werden somit bei Unternehmen sichtbar werden, die sich am Kapitalmarkt refinanzieren und auch die Hypothekenzinsen werden sich an dieser Entwicklung orientieren. Somit kommt der Renditeanstieg gleichermaßen bei Schuldnern, Anlegern und Sparern an.

An den Finanzmärkten wird spekuliert, dass die Bundesanleihen die Leitzinserhöhungen der US-Notenbank vorweg nehmen. Aus Kreisen der FED hört man, dass in diesem Jahr 4 Zinsschritte kommen werden. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang, dass die US-Zinsen den Weg unter die Null Linie nie angetreten sind. Mit aktuell 1,9 Prozent rentieren die zehnjährigen US-Treasurys so hoch wie seit Januar 2020 nicht mehr.

Zinsanstieg – wer profitiert

In erster Linie die Sparer. Zumindest verbessert sich die Lage aus nominaler Sicht denn es können wieder Zinserträge erwirtschaftet werden. Aus realer Sicht hängt es von der Entwicklung der Inflation ab, denn wenn diese auf dem aktuell hohen Niveau verbleibt, besteht immer noch ein Minus, gleichwohl es sich verkleinert, je höher der nominale Zinsertrag steigt. Höhere Zinsen dürften zudem den Preisanstieg am Immobilienmarkt bremsen, weil durch steigende Hypothekenzinsen Finanzierungen teurer werden. Denn wer zu günstigen Konditionen Geld leihen kann, ist auch bereit für den Erwerb von Immobilien mehr zu bezahlen.

Banken und Versicherungen fällt es leichter Zinsmargen zu erwirtschaften. Schon jetzt ächzen die Lebensversicherungen unter der Last der Garantieverzinsung die seit dem 01.01.2022 auf 0,25% abgesenkt wurde (im Jahr 2021 lag dieser Satz noch bei 0,9 Prozent). Wenn nun der Zinsertrag bei der Anlage in sicheren deutschen Staatspapieren in den positiven Bereich ansteigt, fällt es den Lebensversicherungsgesellschaften leichter, diesen Garantiesatz zu erwirtschaften. Banken wiederum können Ihre Liquidität wieder einfacher bei der EZB hinterlegen, ohne für diese geparkte Liquidität einen Verwahrentgelt zu zahlen.

Zinsanstieg – wer profitiert nicht

Es ist davon auszugehen, dass alle Finanzminister der Eurozone mit Sorge auf einen Zinsanstieg blicken. Werden doch die Haushalte der Länder immer mehr auf Pump finanziert. Die Nullzinsphase der letzen Jahre hat dazu geführt, dass zumindest in Deutschland Schulden abgebaut wurden. Im Jahr 2021 musste der Bund lediglich 3,9 Milliarden an Zinsen bezahlen und damit ein absolutes Rekordtief. Für das laufenden Jahr wird nunmehr mit Zinsausgaben von 14 Milliarden kalkuliert. Immer noch weit entfernt von den Ausgaben im Jahr 2008. Da lag der Zinsaufwand bei ca. 41 Milliarden Euro.

Perspektive

Aus unserer Sicht ist aber nicht zu erwarten, dass es einen raschen Anstieg der Zinsen auf alte Niveaus geben wird. Die Notenbanken werden einen vorsichtigen Kurs fahren, um die Wachstumskräfte der Wirtschaft nicht zu erschweren. Selbst wenn die hohe Inflation anhalten sollte, was nicht unbedingt so kommen muss, werden die Notenbanken das Zinsniveau über einen längeren Zeitraum niedrig halten müssen. Der Grund dafür ist die historisch hohe öffentliche und private Verschuldung!

Bleiben Sie gesund, halten Sie bitte weiterhin Abstand und genießen Sie das Wochenende.

Andreas Rosner und das gesamte Team von Gies & Heimburger

Andreas Rosner ist Direktor Privatkunden der Gies und Heimburger GmbH.