Editorial der Freitags-Info vom 24.01.2020

Geposted von Thomas Boldt am

Elektrohype um Tesla

In den vergangenen drei Monaten ist der US-Fahrzeugbauer Tesla sehr hoch bewertet worden. Mittlerweile ist das Unternehmen an der Börse über 100 Mrd. USD wert. Damit überholt der Konzern knapp den wertvollsten deutschen Hersteller Volkswagen, dessen Wert mit 99,4 Mrd. USD angegeben wird. Tesla ist damit der zweitwertvollste Automobilkonzern der Welt, wenn es nach Aktienstand geht. Das japanische Unternehmen Toyota liegt mit 233 Mrd. USD weit vorn auf Platz eins.

Na klar, man kann an dieser Stelle natürlich sagen, dass es sich hierbei bloß um eine kurzzeitige Momentaufnahme handelt, gerade die Performance von Tesla in den letzten Tagen könnte im Endeffekt auch eine Korrektur nach sich ziehen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine bemerkenswerte, wenngleich auch möglicherweise vorübergehende Momentaufnahme, die wir hier bestaunen können. Grundsätzlich sollte man es als Investor dabei nicht bloß bei diesen größentechnischen Zahlen belassen. Bei Tesla wird mit diesem Börsenwert zwar das zukünftige Potenzial im Bereich der Elektroautos eingepreist. Volkswagen hingegen wird für seine derzeitige Größe mit einem solchen Gewicht honoriert. Allerdings kann es sich durchaus anbieten, zu hinterfragen, ob bewertungstechnisch die Aussichten noch in einem Einklang mit der derzeitigen operativen Stärke stehen. Beziehungsweise, ob hier der Vergleich dieser beiden Komponenten noch unter einen Hut zu bringen ist.

Wenn wir die nackten Zahlen betrachten, wird Tesla im vergangenen Geschäftsjahr 2019 voraussichtlich auf einen Absatz in einer Größenordnung von rund 370.000 Einheiten gekommen sein, zumindest wenn wir die Prognosen von Statista hier berücksichtigen. Volkswagen hingegen kommt, zugegebenermaßen vornehmlich im Bereich der klassischen Otto-Fahrzeuge, auf einen Absatz von 11 Mio. Fahrzeugen, was unterm Strich mehr als dem 29-fachen dessen von Tesla entspricht.

Auch umsatzseitig ist diese Bewertungsdiskrepanz gewaltig. Volkswagen hat es im letzten vollen Geschäftsjahr 2018 so beispielsweise auf einen Umsatz von 265 Mrd. USD gebracht, wohingegen Tesla lediglich auf 21,5 Mrd. USD gekommen ist.

Rein operativ betrachtet existiert hier daher eine große Diskrepanz, die auf eine Ineffizienz des Marktes hindeuten könnte. Oder auf eine Bewertungslücke, eine Überbewertung oder auch eine Unterbewertung, je nachdem, in welche Richtung man diese Zahlen interpretieren möchte. Im Endeffekt muss natürlich nicht der gesamte Markt ineffizient geworden sein in Anbetracht dieses Unterschieds. Allerdings ist es schon bemerkenswert, dass Tesla nun sogar den nach Absatz größten Autobauer überholt hat, und das sogar, obwohl die Absatz- und Umsatzzahlen noch sehr deutlich niedriger sind.

Man kann das zwar mit den positiveren Aussichten für einen Elektrobauer und auch dem Wachstum des US-amerikanischen Konzerns begründen, sollte jedoch vielleicht kritisch hinterfragen, ob Tesla nicht womöglich einfach eine bessere Aktienlobby oder die Gesellschaft ein stärkeres Marketing besitzt. Zumindest hier könnte bewertungstechnisch der Aktienmarkt übertreiben, ein Börsenwert von über 100 Mrd. USD ist schließlich gewiss kein Leichtgewicht mehr.

Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünscht Ihnen ein schönes Wochenende.

Direktor Privatkunden Gies und Heimburger GmbH