Editorial der Freitags-Info vom 31.01.2020

Geposted von Thomas Boldt am

Bundesverdienstkreuz für Mario Draghi

Acht Jahre lang stand Mario Draghi an der Spitze der EZB. Nun erhält er das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland – die zweithöchste Auszeichnung. Dabei haben seine Entscheidungen die deutschen Sparer Milliarden gekostet.

Zuerst sollte man den Verdienstorden einordnen: Er ist die „höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht“, so beschreibt es das Bundespräsidialamt. Mit seinen Ordensverleihungen möchte der Bundespräsident die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf hervorragende Leistungen lenken, denen er für unser Gemeinwesen besondere Bedeutung beimisst. Heute überreichte Frank-Walter Steinmeier dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, diese Auszeichnung.

Warum Draghi das Bundesverdienstkreuz erhält

Natürlich gibt es Gründe, die diese Ehrung rechtfertigen. Durch sein beherztes Eingreifen in der Schuldenkrise hat Draghi den Kollaps des Euros mit all seinen Folgen verhindert. Seine Geldflut bescherte gerade Deutschland viele Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs. Steinmeier selbst begründet die Auszeichnung mit Draghis Wirken für das internationale Finanzsystem und die gemeinsame europäische Währung als Kernstück der Wirtschafts- und Währungsunion.

Den Sparern entgingen fast 650 Milliarden Euro

Aber trotz dieser Verdienste: Für die Sparer ist die Ehrung Draghis ein Affront, denn die Niedrigzinspolitik hat sie Milliarden gekostet. Eine Studie der DZ Bank bezifferte diese Summe für deutsche Sparer auf fast 650 Milliarden Euro für die Jahre 2010 bis 2019. Allein im vergangenen Jahr entgingen den Sparern über 50 Milliarden Euro an Zinseinnahmen.

Mehr noch: Die niedrigen Zinsen bringen das System der Altersvorsorge ins Wanken, weil die Versicherer das Geld ihrer Kunden kaum noch mehren können. In den Städten steigen Kaufpreise und Mieten, weil viele Investoren auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten in Immobilien investieren. Das billige Geld hält Unternehmen, die eigentlich Pleite sein müssten, künstlich am Leben. Junge, aufstrebende Firmen haben damit schlechtere Chancen, sich am Markt zu etablieren.

Nicht zuletzt führt die Geldflut zu mehr Ungleichheit: Wer Aktien und Immobilien besitzt, wird reicher. In aller Regel sind das die Menschen, die vorher schon Vermögen hatten. Alle anderen müssen sehen, wie die steigenden Mieten ihr Budget schmälern und somit auch die Altersvorsorge erschweren.

Mit dem Verdienstorden für Draghi reißt Steinmeier alte Wunden auf

Entsprechend groß ist die Wut vieler Bürger auf Draghi und die EZB. Die Auszeichnung reißt alte Wunden auf. Es ist ein Fehler, dass Bundespräsident Steinmeier das Rampenlicht sucht und Draghi ausgerechnet mit dem Orden ehrt, den sonst Bürger für jahrelanges ehrenamtliches oder karitatives Engagement erhalten. Oder Politiker, die sich in den Rathäusern der Städte und Dörfer jahrelang für ihre Gemeinde eingesetzt haben. Um Draghis Verdienste um Europa zu würdigen, hätte es bestimmt andere Orden gegeben. Denn er hat sich wohl weniger um das Gemeinwohl gesorgt als vielmehr seinen Job so gemacht, wie er es für richtig hielt.

 

Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünscht Ihnen ein entspanntes Wochenende.

Direktor Privatkunden Gies und Heimburger GmbH