Ampel nach GroKo
Die Bundesrepublik Deutschland wird künftig von einer Ampelkoalition regiert. Nach langen und intensiven Verhandlungen haben sich die SPD, die Grünen und die FDP auf ein neues Regierungsbündnis geeinigt und das nach nur zwei Monaten Verhandlungszeit. Vorbei sind nun die Gedankenspiele möglicher anderer Koalitionen. Der Fantasie bei der Namensgebung wurden keine Grenzen gesetzt. Ob Deutschland Koalition (CDU/CSU, SPD und FDP), Kenia Koalition /CDU/CSU, SPD und Grünen) oder Jamaika Koalition (CDU/CSU, FDP und Grüne) diese Namen klingen schon irgendwie spannender als die bislang regierende GroKo.
Nun steht sie also die neue Regierung und gespannt blicken alle auf den 177-seitigen Koalitionsvertrag der die Überschrift „Mehr Fortschritt wagen- Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ trägt. Schon Willy Brandt sagte 1967 zum Start der Sozialliberalen Koalition ähnliches „Wir wollen mehr Demokratie wagen“.
Dokument des Muts
Dies und ähnliche Überschriften prägen die Titelseiten nach dem erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Doch was genau steht da eigentlich drin im Koalitionsvertrag. Ich versuche das mal auf die wichtigsten Punkte einzudampfen.
Energie und Klima
Das vorrangige Ziel ist der Ausstieg aus der Kohleverstromung und der damit verbunden Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung. 2030 sollen bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, aktuell liegt der Anteil bei 50 Prozent. Die von den Grünen geforderte Pflicht, auf Neubauten Photovoltaikanlagen zu errichten, findet man im Koaltionsvertrag ebenso wenig wie ein konkretes Datum für den Kohleausstieg.
Finanzen und Haushalt
Hier soll es massive Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung geben. Allerdings fehlen auch hier die Angaben zu den exakten Summen, die man bereit ist, dafür auszugeben. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „finanzielle Solidität und der sparsame Umgang mit Steuergeld sind Grundsätze unsere Haushalts- und Finanzpolitik“. Weiter heißt es, dass die Vorgaben der im Grundgesetzt verankerten Schuldenbremse ab dem Jahr 2023 wieder eingehalten werden soll. Die Bundeseigene KFW-Bank soll dabei private Investitionen fördern. Eine größere Reform in der Steuerpolitik wird es nicht geben aber durchaus kleiner Entlastungen. So sollen Unternehmen, die in Digitalisierung und Klimaschutz investieren im Jahr 2022 und 2023 von „Superabschreibungen“ profitieren.
Rente und Soziales
In einem einmaligen ersten Schritt soll der Mindestlohn von brutto 9,50 auf 12 Euro angehoben werden. Obwohl Minijobs wegen ihrer fehlenden sozialen Absicherung heftig in der Kritik stehen, wird hier die Grenze auf 520 Euro angehoben. Befriste Arbeitsverhältnisse wollen die neuen Koalitionäre vor allem im öffentlichen Dienst einschränken, weil sie dort wesentlich öfter anzutreffen sind als in der Privatwirtschaft. Der Acht-Stunden-Tag wird bleiben, Abweichungen sollen aber per Tarifvertrag möglich sein. Ein Recht auf einen Home-Office Arbeitsplatz soll es nicht geben. Bei der Rente soll das Rentenniveau – Relation zwischen der Höhe einer Rente (45 Jahre Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens) und dem durchschnittlichen Einkommen eines Arbeitsnehmers/einer Arbeitnehmerin – von 48% dauerhaft gesichert werden und der Rentenbeitrag während der Legislaturperiode bei unter 20 Prozent bleiben. Aktuell liegt dieser bei 18,6%.
Gesundheit und Pflege
Mit einer Milliarde Euro will die neue Regierung den Einsatz der Pflegekräfte in der Corona Pandemie anerkennen und dabei den Freibetrag auf 3.000, – Euro anheben. Da man in der Zukunft mit höheren Pflegekosten rechnet wird dies nur mit einer Anhebung der Beiträge für die Pflegeversicherung einhergehen. Daher will man den Beitrag „moderat“ anheben.
Digitalisierung und Innovation
Ein eigenes Ministerium für Digitalisierung wird es (leider) nicht geben. Stattdessen soll es zwischen den Ministerien „feste ressort- und behördenübergreifende agile Projektteams und Innovationseinheiten mit konkreten Kompetenzen“ geben. Auf den ersten Blick sicher ein guter Ansatz aber auf den zweiten vielleicht doch ein zahnloser Tiger!
Neue Rechenzentren sollen bis 2027 klimaneutral arbeiten.
Um die Innovationskraft in unserem Land zu steigern will die neue Regierung ein Gründerinnen-Stipendium schaffen, um den Anteil von Frauen im Digitalsektor zu erhöhen. Auch soll eine neue Agentur für Transfer und Innovation DATI entstehen mittels der man Innovationen an Universitäten mit Start-ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen voranbringen will. Geplant ist zudem eine „flächendeckende Versorgung“ mit Glasfaseranschlüssen direkt ins Haus.
Bauen und Wohnen
Die Wohnungs- und Baupolitik erfährt eine signifikante Aufwertung, weil sie zukünftig in einem eigenständigen Ministerium unter der Führung der SPD angesiedelt wird. Von einem Mietenstopp ist im Koaltionsvertrag nicht die Rede gleichwohl wird aber die Mitpreisbremse bis zum Jahr 2029 fortgeschrieben. Dem Umstand der Wohnungsnot will die neue Regierung mit dem Bau von 400.000 Wohnungen jährlich begegnen. Der Wortlaut im Vertrag dazu „wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten“.
Infrastruktur und Verkehr
Hier wir die Handschrift der Liberalen sichtbar. Es soll massive Investitionen vor allem in den Schienenverkehr geben, um die Deutsche Bundesbahn zu einem attraktiven Verkehrsträger auszubauen. So soll sich bis zum Jahr 2030 ihr Anteil am Personenverkehr verdoppeln. Finanziert werden soll dies aus steigenden Einnahmen aus der LKW-Maut da auch künftig Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen zu Kasse gebeten werden. Im Straßenbau werden alle bis 2023 geplanten Projekte realisiert. Die darüber hinaus bis 2030 vorgesehenen Pläne sollen überarbeitet werden. Ehrgeizig mutet der Plan bis 2030 15 Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen.
Europa
Hier sehen die Koalitionäre Handlungsbedarf bei der Stärkung der europäischen Souveränität. In strategischen Bereichen wie der Energieversorgung, Gesundheit Rohstoffimport und digitale Technologie soll die EU weniger abhängig und verwundbar werden, ohne sich gänzlich abzuschotten. Europäische Unternehmen sollen besser gegen extraterritoriale Sanktionen (Strikt untersagt die EU europäischen Firmen, sich den Strafmaßnahmen zu unterwerfen, die Washington gegen Iran verhängt hat) geschützt werden.
Wer besetzt welches Ministeramt
Hier lichtet sich so langsam der Nebel. Stand heute sind in der neuen Regierung folgende Posten besetzt:
Bundekanzler: Olaf Scholz (SPD)
Wirtschaft: Robert Habeck (Grüne)
Finanzen: Christian Lindner (FDP)
Auswärtiges Amt: Annalena Baerbock (Grüne)
Arbeit und Soziales: Hubertus Heil (SPD)
Justizminister: Marco Buschmann (FDP)
Verkehrsminister: Volker Wissing (FDP)
Bildung und Forschung: Bettina Stark-Watzinger (FDP)
Innen und Heimat: Christine Lambrecht (SPD)
Bauen und Wohnen: Svenja Schulze (SPD)
Bei allen anderen Ministerien gibt es noch viele Namen, die gehandelt werden.
Bleiben Sie gesund, halten Sie bitte weiterhin Abstand und genießen Sie das Wochenende.
Andreas Rosner und das gesamte Team von Gies & Heimburger