Die etwas andere Risikobetrachtung

Geposted von Hans Heimburger am

Seit geraumer Zeit bin ich ein großer Bewunderer von Dr. Jochen Felsenheimer, Geschäftsführer der XAIA Investment GmbH. Ich halte ihn für einen der besten Credit-Spezialisten in Deutschland. Im aktuellen X-Asset Newsletter seiner Gesellschaft beleuchtet Dr. Felsenheimer Risiken, die in der täglichen Diskussion über die Marktrisiken häufig untergehen. 

Die verpasste Chance

Die Entscheidung der Fed, die seit Mai mehr oder weniger angekündigte Kürzung (Tapering) der monatlichen Anleihekäufe vorerst nicht vorzunehmen, hat zu einem gewissen Unverständnis bei vielen Marktteilnehmern geführt. Was hat Ben Bernanke und die anderen US-Notenbanker dazu bewogen, das Liquiditätsgaspedal weiterhin voll durchzudrücken? War es nur die Sorge vor den realwirtschaftlichen  Auswirkungen des aktuellen Haushaltsstreits in Amerika? Oder wollte Bernanke der bereits hoch gehandelten potenziellen Nachfolgerin Janet Yellen jegliche geldpolitische Gestaltungsfreiheit, also auch das Tapering, überlassen? Alles in allem mehr Fragen als Antworten.

Frau Yellen hat den Vorteil, dass sie in der eigenen Familie hochkompetenten Rat suchen kann. Ihr Ehemann ist der allseits geschätzte Nobelpreisträger George A. Akerlof, der 2001 mit dem Wirtschaftsnobelpreis geehrt wurde. Dr. Jochen Felsenheimer hat den Eheleuten Yellen folgendes fiktive Gespräch „in den Mund gelegt“:

JY: „Du, George, ich erhöh‘ heut noch bisschen die Geldmenge und kauf‘ ein paar Staatsanleihen.“
GA: „Naja, denk aber bitte daran, dass Märkte nicht effizient sind und Informations-Asymmetrien vorherrschen. Falls die Marktteilnehmer das Risiko berücksichtigen, eine Zitrone zu erwischen, sind deine Dollars nichts mehr wert und der Markt bricht zusammen.“
JY: „OK, hast Recht. Dann erhöh‘ ich jetzt erst mal die Transparenz, damit die Investoren den Wert des Dollars besser einschätzen können.“
GA: “ Um Gottes Willen, tu das bloß nicht! Das geht sicher schief.“

… und somit bleibt auch Frau Yellen nichts anderes übrig, als ihren beiden Vorgängern zu folgen und die exzessive Liquiditätsversorgung aufrechtzuerhalten. 

PRL-Risiko – der Teufel steckt im Detail

Die Abkürzung PRL-Risiko steht für politische, regulatorische und legale Risiken, die bisher weitgehend irgnoriert werden. Die Marktteilnehmer konzentrieren sich im Risiko-Management darauf, sogenannte Tail-Events und „schwarze Schwäne“ (also sehr selten vorkommende Risiken) in den Griff zu bekommen. Die vorgenannten PRL-Risiken sind mit bisher gebräuchlichen Risikomodellen jedoch nicht zu beherrschen.

Politisches und legales Risiko

Unter einem politischen Risiko sind Eingriffe von Seiten des Staates oder supranationaler Organisationen zu verstehen, die direkt den legalen Status eines Investments beeinflussen. Das bekannteste Beispiel in der jüngeren Historie war die Restrukturierung der griechischen Staatsschulden unter Beteiligung von Privatinvestoren, wobei Gesetze rückwirkend geändert wurden. Im übrigen wurden nur private Investoren an dem „Haircut“ beteiligt – nicht aber öffentliche Institutionen wie zum Beispiel die EZB. 

Regulatorisches Risiko

Unter regulatorischen Risiken sind Eingriffe durch staatliche oder supranationale Instanzen in Marktmechanismen auf unterschiedlichen Ebenen zu verstehen. In Folge der Finanzmarktkrise ist aktuell eine wahre Regulierungsflut auf allen Ebenen zu beobachten. Die Sinnhaftigkeit und Effizienz solcher Regulierungen soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Nachfolgend einige Beispiele großer Regulierungsvorhaben, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden:

Basel III und Solvenccy II (verschärfte Eigenkapital- und Risikoregeln für Banken), Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer (FTT), EMIR (European Market Infrastructure Regulation). Hierbei sollen OTC-Derivate (das sind Derivate, die ohne zentrale Kontrolle „über den Tresen = over the counter“ gehandelt werden) auf zentrale Clearingstellen verlagert werden. Diese Aufzählung kann fast noch beliebig verlängert werden. 

Fazit:
Die Betrachtung von Risiken darf nie eindimensional ausfallen. Die gängigen Risikomodelle taugen nur begrenzt, um die benannten Risiken für die Märkte, insbesondere die Risiken, die aus den neuen Regulierungen entstehen, zu erfassen. Hier muss wieder viel häufiger an den gesunden Menschenverstand appelliert werden, um Situationen risikobewusst zu beurteilen. 

Hans Heimburger ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Gies und Heimburger GmbH und der CIO (Chief Investment Officer) für die 3ik-Strategiefonds.