Genug ist genug – Evergrande wird liquidiert
Am Montag in dieser Woche gab ein Gericht in Honkong bekannt, dass die Evergrande Group, einst Chinas nach Umsatz größter Immobilienentwickler, liquidiert werden muss.
Für die Vorsitzende Richterin Linda Chan der chinesischen Sonderverwaltungszone in Hongkong war das Fass voll. „Ich denke, es ist Zeit für das Gericht zu sagen, genug ist genug“, sagte sie in der Urteilsbegründung. Das mehr als zwei Jahre währende Tauziehen, um das mit über 300 Mrd. Dollar verschuldete Unternehmen ist somit beendet. Die Anhörung habe eineinhalb Jahre gedauert, und die Firma sei immer noch nicht fähig, einen konkreten Vorschlag für eine Restrukturierung vorzubringen, sagte Chan. Das jetzt vom Gericht eingeleitete Insolvenzverfahren ist ein erster Zwischenschritt, denn Evergrande kann gegen das Urteil in Berufung gehen. Bis zu einer Entscheidung würde der Abwicklungsprozess allerdings erst einmal eingeleitet werden. Ein Insolvenzverwalter soll eingesetzt werden und prüfen, wie weit er die Assets des Konzerns zu Geld machen kann und die Gläubiger auszahlen kann.
Unklar ist jedoch, in welchem Umfang ein Konkursverwalter auf Evergrande-Vermögenswerte wie Bauprojekte und Tochtergesellschaften in China zugreifen kann. Der heutige Entscheid zur Liquidierung betrifft formal nur die in Hongkong kotierte Muttergesellschaft.
Das jetzt ergangene Urteil ist das nächste Kapitel in der chinesischen Immobilienkrise und ein weiterer Dämpfer für die ohnehin schwache Konjunktur im Land und viele Beobachter fragen sich jetzt: Bleibt es bei Evergrande, oder zieht das Unternehmen noch weitere Immobilienentwickler mit sich nach unten? Analysten rechnen jedenfalls damit, dass die Evergrande-Auflösung Auswirkungen auf weitere Baukonzerne und den generell angeschlagenen Immobilienmarkt in China haben wird.
Dass die Aktie nach dem Urteil ins bodenlose fiel, versteht sich von selbst und um weiteren Schaden zu verhindern wurde Evergrande mittlerweile vom Handel ausgesetzt. Unabhängig von den tatsächlichen Auswirkungen des Urteils sind die großen Probleme am chinesischen Immobilienmarkt bereits seit etwa 2 ½ Jahren der Mühlstein am Hals der chinesischen Wirtschaft. Schon seit Mai 2023 hat der Shanghai Composite Index knapp 20 Prozent verloren und der Hongkonger Hang Seng Index gab seit seinem Zwischenhoch im Februar 2021 hat gut die Hälfte seines Wertes ab.
Aber es gibt durchaus Nachrichten aus dem Reich der Mitte, die für eine bessere Zukunft sprechen können. So wird China in den nächsten Jahren große Anstrengungen unternehmen, um sich sukzessive vom US-Dollar zu lösen. So werden beispielsweise die Zahlungen für Erdölimporte aus Saudi-Arabien statt in Dollar in den heimischen Renminbi (RMB) fakturiert. Ebenso wird versucht die generelle Handelsfinanzierung von USD auf RMB umzustellen und das internationale Zahlungssystem SWIFT auf CIPS (Cross-Border Inter-Bank Payments System) umzulenken. Die De-Dollarisierung wird somit weiter vorangetrieben.
China ist seit geraumer Zeit zu einer Innovationssupermacht aufgestiegen. So wird beispielsweise das neue Huawei Handy ausschließlich in China produziert. Mit eigens entwickelten Bauteilen die von 100.000 Entwicklungsingenieuren im Drei-Schicht-Betrieb zusammengefügt werden.
Fazit: China versucht, trotz aller Probleme im Immobiliensektor den eigenen Technologiestandard im globalen Süden zu etablieren.
Andreas Rosner und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünschen Ihnen ein schönes Wochenende