Zinsschock durch die Notenbanken
Liebe Leserinnen und Leser,
Ich weiß nicht, ob das wirklich clever war. Verstehen Sie mich nicht falsch! Selbstverständlich ist die eingeleitete Zinswende völlig richtig. Sie ist notwendig, um unsere angeschlagenen Währungen wieder wertvoll und kaufkräftig zu machen. Die Straffung der Geldpolitik ist längst überfällig und sehr sinnvoll.
Aber mussten die Notenbanken der USA, der Euro-Zone und zuletzt auch noch der Schweiz unbedingt ihre scharfe Medizin zur gleichen Zeit, praktisch in der gleichen Woche verabreichen? Das Ergebnis ist nun ein veritabler Zinsschock, der die Aktienmärkte durchaus mittelprächtig erschüttert hat. Aus Börsianer-Sicht wäre hier eine bessere Koordinierung der Geldpolitiker wünschenswert gewesen.
Immerhin, wir wissen nun, woran wir sind. Die Notenbanken sind nicht mehr unsere Freunde. Anders formuliert: Die Geldpolitik fällt zunächst als unterstützender Faktor für den Aktienmarkt aus.
Viele Wirtschaftsexperten behaupten bereits, die Zentralbanken haben die Kontrolle verloren. Sie seien mit ihrer Politik der massiven Geldschöpfung in den letzten Jahren zum großen Teil für die derzeitige Inflation verantwortlich. Abgesehen von den genannten strukturellen Ursachen ist die Inflation die Rechnung für das ´Whatever it takes´ vor allen Dingen von Ex-EZB-Chef Mario Draghi und Madame Lagarde.
Nun stellt sich logisch die Frage, wie geht es weiter. Ich sehe zwei Szenarien: Die Geldpolitik hat nun ihre Duftmarke gesetzt und ordentlich in den Markt geholzt. Man hat dies getan, um ab jetzt bei der weiteren Straffung der Geldpolitik eine moderatere Gangart an den Tag legen zu können. Das würde dem Aktienmarkt ziemlich schnell helfen und zu einer durchgreifenden Stabilisierung der Kurse beitragen.
Unterstellt man dieses optimistische Szenario, dürften wir in den kommenden Tagen und Wochen bereits wieder interessante Kaufkurse für Aktien erreichen.
Das pessimistische Szenario: Der Zinsschock wirkt nach. Gleichzeitig fruchten die harten Maßnahmen der Notenbanken noch nicht wie gewünscht. Möglicherweise steigt die Inflation zumindest in den USA und in Teilen Europas bald sogar in den prozentual zweistelligen Bereich. Nicht auszudenken, wenn Russland uns Europäern noch den Gashahn zudreht und die Energiepreise weiter steigen. Dann werden wir sicherlich die Korrektur fortsetzen.
Die nächsten Wochen werden hier Klarheit bringen.
Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünscht Ihnen ein sonniges Wochenende