Editorial der Freitags-Info vom 20.08.2021

Geposted von Thomas Boldt am

Chinas soziale Gerechtigkeit

Es mag nur ein Zufall sein, dass Chinas Regierung in so verschiedenen Bereichen in so kurzer Zeit unterschiedliche Regulierungsmaßnahmen angekündigt hat. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass sich aus Sicht der Behörden angesichts des derzeit außergewöhnlich starken globalen Wirtschaftsumfelds und des 20. Nationalen Parteitags im kommenden Oktober dafür jetzt ein günstiges Zeitfenster geöffnet hat. Die jüngste Initiative etwa verbietet es Anbietern von Schullehrprogrammen unter anderem künftig Gewinne zu erzielen oder an die Börse zu gehen. Ich glaube jedoch nicht, dass dies als breitangelegte Kriegserklärung gegenüber dem Privatsektor interpretiert werden sollte.

Privatunternehmen sorgen für 50% der Steuereinnahmen, stellen 60% des BIP, 70% der High-Tech-Innovationen, 80% der städtischen Beschäftigung und fast 90% der neugeschaffenen Arbeitsplätze. Es wäre nicht in ihrem Sinne, wenn die Zentralregierung eine solche negative Haltung einnehmen würde. Man sollte auch Bedenken, dass alle Kapitalmarktreformen und -öffnungen, die wir in letzter Zeit sahen, darauf ausgerichtet waren, China für ausländisches Kapital attraktiver zu machen.

Geplante Einkommensregulierung

Präsident Xi hat nun Chinas reichsten Bürgern einen Entwurf für „gemeinsamen Wohlstand“ vorgelegt, der laut staatlichen Medienberichten Einkommensregulierung und Umverteilung umfasst. Seit 2012 hat die Regierung die Priorität um die Armut zu beenden und eine Gesellschaft mit gemäßigtem Wohlstand aufzubauen. Die zentralen Ziele waren die Förderung des Wohlergehens. Allerdings ist die Einkommensungleichheit im Land extrem groß – die reichsten 20 % verdienen mehr als das Zehnfache der ärmsten 20 %.

China hat massive Anstrengungen unternommen, um die Armut vor allem in ländlichen Gebieten zu reduzieren. In jüngerer Zeit setzt man am oberen Ende des Spektrums an, mit einem Durchgreifen gegen die Technologiebranche, und deren zahlreichen Milliardäre. Auch Kritik an Superreichen wird stärker. Auf der Sitzung des Zentralkomitees für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten hat die Regierung jetzt neue Strategien zur Bekämpfung der dieser Entwicklungen vorgelegt.

Es wurde versprochen „die Regulierung und Anpassung hoher Einkommen zu stärken, legales Einkommen zu schützen, übermäßige Einkommen angemessen anzupassen und einkommensstarke Gruppen und Unternehmen zu ermutigen, der Gesellschaft mehr zurückzugeben“, heißt es in einer Zusammenfassung des Treffens.

Gleichzeitig verpflichtet man sich, die mittlere Einkommensgruppe auszuweiten und das Einkommen der unteren Einkommensgruppe zu erhöhen. Illegales Einkommen soll verboten werden, um soziale Gerechtigkeit zu fördern.

Diese Schritte deuten darauf hin, dass man die Einführung von Steuern auf Eigentum und Erbschaft plant. Die Behörden sprechen seit langem über eine Grundsteuer und testen seit 2011 die Besteuerung von Wohneigentum. Kapitalertragsteuern könnten ebenfalls eine Option darstellen, sowie andere Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommensverteilung, wie etwa die Verbesserung der Sozialversicherungsprogramme und staatliche Transfers in weniger entwickelte Regionen. China hat keine Erbschaftssteuer, deren Einführung könnte einen wichtigen regulierenden Effekt auf die Vermögensverteilung haben.

Es wurden auch der gleichberechtigte Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen diskutiert, indem das Wohnungsangebot, die Altenpflege und das medizinische System verbessert werden. Auch die Notwendigkeit finanzielle Risiken einzudämmen wurde erörtert. Es sollen Anstrengungen unternommen werden, um ein Gleichgewicht zwischen der Gewährleistung eines stabilen Wirtschaftswachstums und der Vermeidung finanzieller Risiken zu finden.

Auch wenn die Kapitalmärkte kurzfristig auf diese Entwicklungen empfindlich reagiert haben, so sind die Maßnahmen langfristig als richtig und positiv zu werten.

Leider hat sich die globale Welt von einer sozialeren Vermögensverteilung weit entfernt und die Schere von „Arm und Reich“ ist besorgniserregend auseinandergedriftet. Aber dieses Thema würde den Rahmen sprengen…

Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünscht Ihnen ein schönes Wochenende!

Direktor Privatkunden Gies und Heimburger GmbH