Editorial der Freitags-Info vom 20.11.2020

Geposted von Thomas Boldt am

Hat die Corona Pandemie Auswirkungen auf die Inflation?

Über kein anderes Thema streiten Ökonomen derzeit so leidenschaftlich wie über die Rückkehr der Inflation. Denn sie ist eine hochrelevante Größe für die Kapitalmärkte. Die nachfolgenden drei Fragen und Antworten fassen die aktuelle Debatte vor dem Hintergrund der Corona Pandemie zusammen.

1) Beeinflusst die Corona-Pandemie die Inflation?

Ja, und zwar über mehrere Kanäle. Die Pandemie hat eine schwere Wirtschaftskrise ausgelöst. Damit einher geht ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, etwa aufgrund einer höheren Vorsichtsersparnis. Beides wirkt inflationsdämpfend.

Gleichzeitig stärkt die Krise gesunde Unternehmen und schwächt bereits angeschlagene Firmen. Eine größere Marktkonzentration ist die Folge, etwa bei Fluggesellschaften. Und dabei gilt meist: Je geringer der Wettbewerb, umso höher die Preise. Mit etwas Zeitverzug könnte Corona also in den stärker konzentrierten Branchen auf der Mikroebene zu höheren Margen und auf der Makroebene zu stärkerem Inflationsdruck führen.

Kurzfristig verändert die Pandemie zudem die relativen Knappheiten bestimmter Güter und damit ihre Preise. Einige dieser Entwicklungen führen zu steigender Teuerung, etwa bei Gemüse. Andere wirken in die Gegenrichtung, beispielsweise bei Flugreisen. Ob diese Trends dauerhaft sind und ob sie insgesamt eher inflationstreibend oder -dämpfend sind, ist derzeit noch offen. Somit beeinflusst Corona als Dekadenereignis die Preisniveaus kurz- und langfristig.

2) Führt die weiter gelockerte Geldpolitik zwangsläufig zu Inflation?

Seit US-Ökonom Milton Friedman lernt jeder Student der Volkswirtschaftslehre den Satz: Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Ein starker geldpolitischer Impuls führt demnach über kurz oder lang zu steigenden Preisen. Denn es gibt ein vergrößertes Geldangebot, dem eine gleich gebliebene Menge an Gütern und Dienstleistungen gegenübersteht. Nach dieser Logik müssten also die Preise steigen.

Klingt theoretisch gut – trifft in der Praxis aber nicht immer zu. So wie jetzt. Die Menge an produzierten Gütern und Dienstleistungen ist in der Pandemie erheblich gesunken, aber die Kapazitäten dafür sind da. In diesem Fall führen Geldspritzen zu Nachfrage und letztendlich zu mehr Produktion und sicheren Einkommen, nicht zu höheren Preisen. Wichtigster Impulsgeber ist dabei derzeit die Fiskalpolitik.

Liquiditätshilfen für die Banken zählen nicht. Sie erweitern nur die Zentralbankgeldmenge. Erst eine anziehende Kreditvergabe der Banken – die sogenannte Giralgeldschöpfung – kann inflationär wirken, wenn das Geld ausgegeben wird. Das passiert aber nicht. Die Kreditnehmer halten Liquidität als Vorsichtsmaßnahme. Die Nachfrage nach (Giral-)Geld ist gestiegen. Im Jargon der Volkswirte ist die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes gesunken. Folglich schafft lockere Geldpolitik allein noch keine Inflation.

3) Hat die Inflation durch Corona für die Geldpolitik an Stellenwert verloren?

Nein, das hat sie nicht. Schon vor Corona konnte man beobachten, dass die Inflation trotz guter Konjunktur nicht ansprang. Ein dauerhaftes Verfehlen des Inflationsziels einer Notenbank birgt aber ein Risiko für die Wirksamkeit von Geldpolitik. Die US-Notenbank (Fed) hat daher im Spätsommer 2020 einen Strategiewechsel bekannt gegeben. Künftig versieht die Fed ihr Inflationsziel mit einem „Gedächtnis“, lässt die Teuerung also nach Phasen niedriger Inflation bewusst zumindest moderat überschießen. Die Inflationstoleranz steigt damit und ermöglicht einen stärkeren Fokus auf die Wachstumsförderung. Die EZB hat ihre neue Strategie noch nicht verkündet, die Überlegungen gehen aber in eine ähnliche Richtung.

Fazit: Ein coronabedingter Anstieg der Inflation ist kurzfristig nicht zu erwarten. Auch im Jahr 2021 dürfte die Teuerung gering bleiben. Danach ist mit einem leichten Anziehen zu rechnen, allerdings keiner sprunghaften Steigerung. Für Anleger bedeutet das: Es gibt für die Zentralbanken auf absehbare Zeit keinen Bedarf, ihre Geldpolitik zu straffen. Im Gegenteil. Die Inflationsbekämpfung hat für die Notenbanken gegenüber der Wachstumsförderung an Bedeutung verloren. Die Zeichen stehen daher weiter gut für Anleihen mit Renditeaufschlag, Aktien und Edelmetalle. Denn das Schreckgespenst der Inflation wurde schon lange nicht mehr gesehen – und es muss auch niemandem mehr Angst einjagen.

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Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger wünscht Ihnen ein erholsames Wochenende.

Direktor Privatkunden Gies und Heimburger GmbH