Santa-Claus-Rallye und sonstige Börsenweisheiten
Alle Jahre wieder macht im Dezember unter Börsianern ein geflügeltes Wort die Runde. Es ist die Weihnachtsrally oder wie sie in den USA auch genannt wird, die Santa-Claus-Rally. Darüber hinaus gibt es noch die allgemeine Jahresend-Rally. Für die einen beginnt diese bereits in der 2. Novemberhälfte und für die anderen erst Mitte Dezember angesichts der häufigen Schwächephase Anfang Dezember. Aber was ist bitte schön eine Weihnachtsrally und was löst sie aus?
Die Santa-Claus-Rallye, die in den Lehrbüchern auf die 5 Tage nach Weihnachten und die ersten beiden Januar Handelstage des Folgejahres eingegrenzt wird, hat einen steuerlichen Hintergrund. Anleger wollen weniger Kapitalertragssteuern zahlen. Darum verkaufen sie die Verlierer im Depot und realisieren so Verluste, die den Gesamtgewinn, auf den die Steuer berechnet wird, reduziert. Die Aktienkurse sinken in Folge der Verkaufswelle. Sobald diese nachlässt und die Schnäppchenjäger am Drücker sind, klettern die Kurse wieder. Das geschieht häufig in der letzten Dezemberwoche, also nach Weihnachten. Nicht selten tritt diese Rallye aber auch schon frühzeitiger ein.
Zwischen 1950 und 2021 gab es 57-mal eine Santa-Claus-Rallye
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 81% gehört die Weihnachtsrallye zu den stärksten saisonalen Aktienmarktereignissen. Das liest sich erstmal gut, aber der Teufel steckt im Detail. Wenn Sie sich die durchschnittliche Performance des Zeitraumes zwischen Weihnachten und den ersten Januar Tagen anschauen, dann ist diese mit +1,3% nicht mehr sonderlich beeindruckend. Statistiken haben immer große Schwankungsbreiten, bei denen es besonders gute Phasen gibt, aber auch enttäuschende. Die nächste Frage, die sich stellt: Was bedeutet es, wenn die Kurse nach Weihnachten nicht klettern, sondern fallen?
„If Santa should fail to call, bear may come to Broad an Wall“
Diese alte amerikanische Börsenweisheit beschäftigt sich mit dem Fall, dass es keine Santa-Claus-Rallye gibt, sondern einen Kursrutsch. In diesem Fall könnte sowohl der Bär, also die Baisse an der Börse (Wall-Street) ins Haus stehen, aber auch die Wirtschaft (Broad-Street) ins Schlingern kommt. Wie viele Börsensprichwörter stammen sie aus einer längst vergangenen Zeit. Die über 100-jährige Studie von Ned Davies Research dazu ist ernüchternd: Ließ sich Santa-Claus nicht „blicken“, kam es nur in 34% der Fälle zu einer Baisse. Das ist statistisch sogar noch schlechter als Murmeltier „Phil“ der am Groundhog Day im Februar die Länge des Winters in Pennsylvania vorhersagt.
Saisonalitäten gibt es und sie sind zum Jahresende auch gut messbar. Allerdings suggerieren diese Daten dem Privatanleger eine sensationelle Gewinnchance, die es, wenn Sie genauer hinschauen, so nicht gibt. Mit +1,3% im Durchschnitt machen Sie keine großen Sprünge. Das Gleiche gilt für die bearishe Interpretation, falls es zu keiner Weihnachtsrallye kommt. Es verbietet sich also eine Kursprognose daraus ableiten zu wollen.
Für eine langfristig erfolgreiche Börsenstrategie taugen diese Weisheiten also nicht viel.
In diesem Sinne, eine frohe und besinnliche Weihnachtszeit wünscht Ihnen
Thomas Boldt und das gesamte Team von Gies & Heimburger