Editorial der Freitags-Info vom 19.08.2022

Geposted von Hans Heimburger am

Wichtige Weichenstellungen

In der französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ holte Bernard Spitz vom französischen Arbeitgeberverband Medef zu einem medialen Rundumschlag gegen Deutschland aus. Jahrzehntelang hätten die Deutschen ihren Wohlstand auf drei Säulen aufgebaut: die Verteidigung an die Amerikaner auslagern, billige Energie von den Russen kaufen und ihre Produkte an die Chinesen verkaufen.

Dies ist nun bestimmt eine grobe Vereinfachung und starke Verzerrung in der Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolgs von Deutschland und natürlich schwingt da eine gehörige Portion Neid seitens der Franzosen mit. Allerdings ist die Betrachtung von Monsieur Spitz auch nicht ganz von der Hand zu weisen. 

Wir haben in der Bundesrepublik dem wirtschaftlichen Erfolg vieles untergeordnet und auf dem Altar des Wohlstandes Dinge geopfert, die an unseren Grundwerten nagen. Die kriminelle Politik des Kremls wurde seit zwei Jahrzehnten geflissentlich übersehen und allerspätestens seit der Krim Annexion war dies sträflich. Das muntere Geschäftemachen mit dem Schwerpunkt im Energiesektor ging bis zum Überfall der Russen auf die Ukraine unverdrossen weiter. Der Ausstieg aus der Atomenergie als Reflex auf den Atomunfall in Fukushima vor 11 Jahren versteht in unseren Partnerländern niemand. Zwei Beispiele gefällig? In den vereinigten Staaten produzieren aktuell 93 Reaktoren 20 Prozent des amerikanischen Stromverbrauchs und 50 Prozent der klimaneutralen Elektrizität. Die Biden-Regierung zeigt sich als entschlossener Förderer der Atomenergie. In Frankreich stammen etwa 70 Prozent der inländischen Stromproduktion aus den Kernreaktoren. Auch wenn aktuell 30 der insgesamt 56 Reaktoren still stehen (Wartung, Reparaturen und Mangel an Kühlwasser in diesem superheißen Sommer), gibt es an dem energiepolitischen (Atom-) Kurs der Regierung keine Zweifel und kaum Kritik. Gerade erhielt Atomstrom vor allem auf Macrons Betreiben hin das Ökosiegel bei der EU-Taxonomie.

Das Thema Menschenrechte wurde im Zusammenhang mit den vielfältigen geschäftlichen Aktivitäten der deutschen Wirtschaft mit China mehr als stiefmütterlich behandelt. Diesbezügliche Wortmeldungen von meinungsstarken Menschen wurden als geschäftsschädigend abgestempelt.

Vielleicht funktionieren nach dem Ende der Hitzewelle unsere Gehirne wieder etwas besser und wir alle, Politik, Wirtschaft und Bürger, sollten an dem ein oder anderen nun etwas kühleren Sommerabend über wichtige Weichenstellungen nachdenken. Es sollte auch nicht beim Nachdenken bleiben! Nachhaltige Veränderungen müssen meiner Meinung nach zwingend auf den Weg gebracht werden.

Bleiben Sie bitte gesund, genießen Sie das kommende Wochenende.

Hans Heimburger und das gesamte Team von Gies & Heimburger

Hans Heimburger ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Gies und Heimburger GmbH und der CIO (Chief Investment Officer) für die 3ik-Strategiefonds.